Schattenwirtschaft expandiert - Handwerk ist sauer

■ Jede zehnte Handwerksmark wird schwarz verdient / Bußgelder erreichen neue Rekordhöhe

Bonn (dpa/taz) - Im Handwerk wird nach Schätzung von Handwerkspräsident Paul Schnitker jede zehnte Mark schwarz verdient. Den Umfang des Umsatzes in der Schattenwirtschaft gab er mit etwa 40 Milliarden DM an. 1986 wurden gegen Schwarzarbeiter Bußgelder in Höhe von über 9,1 Millionen DM verhängt. Damit wurde nach Mitteilung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) vom letzten Wochenende das vorausgegangene Bußgeldrekordjahr nochmals um 6,7 Prozent übertroffen. Innerhalb von zehn Jahren hat sich damit das Bußgeld gegen Schwarzarbeiter mehr als versechsfacht. In der Hitliste der Schwarzarbeiter sind nach wie vor die Maurer vorne. Von der Baurezession blieben sie aber nicht verschont. Gegenüber dem Vorjahr fielen die Bußgelder in diesem Bereich von 2,4 auf 1,9 Millionen DM zurück. Nach den Maurern spucken die Dachdecker (Bußgeldsumme 1,4 Millionen DM) sowie die Maler und Lackierer (eine Million DM) den etablierten Betrieben am häufigsten in die Ertragssuppe. Auch Kfz–Mechaniker verdienen gern eine Mark nebenbei. Die Bußgeldsumme in diesem Bereich erreichte 567.000 DM. Angesichts der nochmals gestiegenen Bußgelder forderte Schnitker erneut schärfere Gesetze gegen Schwarzarbeit. Jetzt würden Bußgelder ausschließlich wegen Verstößen gegen die Handwerksordnung verhängt. Die Gerichte müssen aber nach Auffas sung des ZDH–Präsidenten in die Lage versetzt werden, schneller und konsequenter Bußgelder und Strafen gegen Schwarzarbeiter auszusprechen. Deshalb sei es notwendig, schwammige Begriffe wie „Erlangung wirtschaftlicher Vorteile in erheblichem Umfang“ durch präzise Bestimmungen zu ersetzen. Einen weiteren Grund für die zunehmende Schwarzarbeit sieht Schnitker in den ständig wachsenden Lohnzusatzkosten. Vor einer Erhöhung der Mehrwertsteuer könne in diesem Zusammenhang nur gewarnt werden. In die Phalanx der Kritiker reihten sich auch der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit Heinrich Franke und der mittelstandspolitische Sprecher der FDP Josef Grünbeck ein. Franke rechnete hoch, daß in der Bundesrepublik durch Schwarzarbeit jährlich 100.000 Arbeitsplätze verlorengingen, was einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund drei Milliarden Mark bedeute. „Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern beschäftigungspolitisch unverantwortlich“, betonte Franke. Grünbeck nannte die Ausweitung der Schattenwirtschaft einen „gesellschaftspolitischen Skandal“. Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe wolle niemand abschaffen, versicherte der FDP– Politiker, aber alles andere falle unter Wirtschaftskriminalität. Der Staat sei aufgefordert, durch ein Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit für eine „gerechte Bestrafung“ der Abweichler vom Pfad der regulierten Normalarbeitsverhältnisse zu sorgen. Ohne drastische Maßnahmen würden nämlich immer mehr Unternehmer und Arbeitnehmer in die Schattenwirtschaft ausweichen, um so hohen Steuerbelastungen respektive Lohnnebenkosten zu entgehen. Die Geschäftsführerin der SPD–Bundestagsfraktion Brigitte Taupe kritisierte die Expansion der Schattenwirtschaft als Resultat der beschäftigungspolitischen Untätigkeit der Bundesregierung. Der Arbeitsmarkt sei angesichts von mehr als 750.000 Langzeitarbeitslosen völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Bundesanstalt für Arbeit schätzt, daß die Jahresumsätze im Bereich der Schattenwirtschaft heute bei 200 Milliarden Mark liegen. Diesen Bereich allein mit der Elle der Schwarzarbeit zu messen, dürfte bei weitem zu kurz greifen. geo