Noch mehr Boykott

■ Behördliche Vobo–Zahlen in Berlin sind weitaus höher als die des Volkszählungsbüros / Trotzdem gibt sich Kewenig zufrieden

Von Brigitte Fehrle

Berlin (taz) - Berlins Innensenator Kewenig hat sich jetzt selbst eine Ohrfeige erteilt. Gestern gab er der Presse bekannt, Berlin sei bis auf drei Bezirke vollständig mit Volkszählungsbogen versorgt. Doch anwesende Journalisten waren der lebende Gegenbeweis. Eine interne Recherche in der Berliner Lokalredaktion der taz ergab, daß 50 Prozent der RedakteurInnen bislang keinen Volkszählungsbogen erhalten haben. Auch beim Tagesspiegel und beim SFB haben Kollegen noch keinen Bogen. 15 Prozent aller verteilten Volkszählungbogen, so Kewenig gestern, seien bisher nicht zurückgekommen. Die Hälfte davon wertet das Statistische Landesamt als Boykotteure (158.000), bei der zweiten Hälfte hoffen die amtlichen Zähler noch auf Rücklauf. Diese offiziellen Boykottzahlen übertreffen noch die Annahmen des Boykottbüros, die momentan von knapp 100.000 Boykotteuren ausgehen. Der Innensenator äußerte sich gestern über den Ablauf der Volkszählung zufrieden. Man habe im Vergleich zum Bundesgebiet „durchaus vorzeigbare Ergebnisse“ erzielt. 43 Prozent aller Volkszählungsbogen seien von den Zählern zurückgebracht worden. 41,5 Prozent gingen per Post ein. Über Fehlerquoten bei den ausgefüllten Bogen wollte Kewenig keine Aussagen machen. Man habe bislang nur Stichproben gemacht, die eine Fehlerquote von ungefähr zehn Prozent ergeben hätten. Der Zeitplan der Zählung hat sich in Berlin mittlerweile um Wochen verzögert.