Hungen an der Molke wehrt sich

■ Bürgerinitiative will die Dekontaminierung verstrahlter Molke in Hungen verhindern / Ärzte schrieben offenen Brief an den Bürgermeister / Zog der CDU–MdB Bayha die Molke–Fäden?

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die Absicht von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU), rund 13.000 Tonnen des mit bis zu 8.000 Becquerel Cäsium 134 und 137 belasteten Molkepulvers in einer Molkerei im Hungen zu dekontaminieren, hat bei den BürgerInnen der mittelhessischen Kleinstadt Widerstand provoziert. Im Rahmen einer Bürgerversammlung in Hungen, an der etwa 150 Menschen teilnahmen, kam es am Montag abend zur Gründung einer Bürgerinitiative gegen die Molke–Pläne der Bundesregierung. Die EinwohnerInnen Hungens wenden sich generell gegen die Dekontaminierung strahlenverseuchter Produkte, denn mit der von dem Hannoveraner Professor Franz Roiner entwickelten „Ionenaustausch–Methode“ sei lediglich das Cäsium aus den Produkten „herauszuholen“, meinte Brigitte Vallenthin vom „Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz“ (BBU) im Gespräch mit der taz. Der BBU befürchtet, daß in Hungen der „Einsteig in die großtechnologische Dekontaminierung von Lebensmitteln“ geprobt werden soll. Bürgerinitiative und BBU fordern dagegen gemeinsam die Endlagerung des verstrahlten Molkepulvers. Inzwischen haben auch Hungener Ärzte in einem offenen Brief an den Bürgermeister Wilfried Schmied (CDU) gegen die Dekontaminierungspläne der Bundesregierung protestiert. Immerhin sollen - nach Schätzungen der Grünen im hessischen Landtag - täglich rund 20.000 Liter radioaktiv verseuchte Abwässer aus dem Hungener „Moha“– Werk das Kanalsystem der Kleinstadt belasten, falls Bonn an seinen Molke–Dekontaminierungsplänen festhält. Den politischen Hintergrund dafür, daß das verstrahlte Molkepulver, das eigentlich der bayerischen Großmolkerei „Meggle“ gehörte, jetzt ausgerechnet in Hessen dekontaminiert werden soll, bildet ein delikates Dreiecksverhältnis, an dem - neben Bundesumweltminister Töpfer und Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) - auch der CDU– Bundestagsabgeordnete Richard Bayha beteiligt war. Bayha ist nämlich Aufsichtsratsvorsitzender der „Moha und Zentra - Vereinigte Milchwerke“, in deren Hungener Molkerei jetzt dekontaminiert werden soll, wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner letzten Ausgabe berichtete. Die 13 Millionen DM, die Bonn für die Dekontaminierung des Molkepulvers bezahlen will, seien dem angeschlagenen Molkereikonzern „höchst willkommen“ gewesen.