Preiswerter Ferienspaß für Hattingens Kinder

■ Schulferienprogramme im Revier / Schweine auf dem Abenteuerspielplatz begeistern die Hattinger Kinder beim Ferienspaß / Viele Revierstädte müssen am Kinderprogramm sparen / Jugendamt Hattingen unterstützt Hüttenarbeiter

Von Corinna Kawaters

Hattingen (taz) - Jugendpfleger Frank Führle kommt beim Kinderferienspaß in Hattingen ganz schön ins Schwitzen. Vormittags Tagesfahrt zur Tropfsteinhöhle mit Kindern zwischen acht und 15, nachmittags Ferkel auf die drei Abenteuerspielplätze liefern. Den Bauern mußte Frank erst überreden, ihm die sieben Schweine zu überlassen, denn der fürchtete, die Kinder würden die acht Wochen alten Ferkel „quälen“. Die Schweinchen mögen kein Geschrei, bei zu starker Sonne bekommen sie einen Sonnenbrand und wenn sie im Regen stehen, erkälten sie sich. Erst nach dem Hinweis auf das große Bedürfnis der Stadtkinder nach Tierfreundschaft durfte der Jugendamts–Transporter auf dem Bauernhof vorfahren und die Tiere mitnehmen. Die Befürchtungen des Bauern sind nicht ganz unberechtigt, denn die Stadtkinder reagieren beim Eintreffen der Schweine typisch: „Ey, kuck ma, die ham vorn ne Steckdose“, ruft ein kleines Mädchen begeistert, als es die rosa Rüssel der Ferkel auf dem Anhänger des Transporters sieht. Und der Kleine daneben meint: „Die ham abern schlechtes Deo...“ Doch dann zeigen sie stolz den Stall, den sie vormittags aus gespendetem Bauholz gezimmert haben. Als schließlich ein Mitarbeiter des Sonderteams „Abenteuerspielplatz“ die qiet schenden und strampelnden Tierchen in das Gatter hebt, quietschen und trampeln die Kinder vor Vergnügen mit. Außer den Schweinen gibt es auf jedem der drei Spielplätze in Hattingens grünem Umfeld noch Schafe, Ponies, Hühner und Kaninchen und Meerschweinchen zum streicheln. Die gefallen der neunjährigen Rafaela am besten. Sie und ihr fünfjähriger Bruder fahren in diesem Jahr deswegen nicht in Urlaub, „weil mein Papa auf der Henrichshütte arbeitet und wir abwarten müssen, was da passiert“, sagt sie. Hauptattraktion Abenteuerspielplatz Wie Rafaela und ihr kleiner Bruder können wöchentlich 150 Kinder zwischen fünf und 13 Jahren beim Abenteuerspielplatz mitmachen. Er ist die Hauptattraktion des Hattinger Schulferienprogramms. Darüber hinaus stehen verschiedene Tagesfahrten, Feste, Sport– und Bastelkurse für Kinder, die in den Schulferien in der Stadt bleiben müssen, zur Verfügung. Die Stadt Hattingen (55.000 Einwohner) läßt sich den Ferienspaß 65.000 DM kosten. Zum Vergleich: Die mehr als doppelt so große Stadt Herne buttert ins diesjährige Ferienprogramm etwa nur 40.000 bis 50.000 DM. Und in der finanzschwachen Stadt Essen (620.000 Einwohner) mußte das Jugendamt den Etat 1987 sogar um 17 Prozent auf 170.000 DM kürzen und auf ein üppiges Stadtranderholungsprogramm der Wohlfahrtsverbände und Kirchen hoffen. Kein Urlaub wegen Krise In den verschiedenen Städten der Region gibt es ähnliche Probleme. Besichtigungen bei den Medien wie beim WDR, bei Lokalzeitungen sowie in den Großbetrieben des Ruhrgebiets, sind für viele Gruppen an der Tagesordnung. Wen wundert es, wenn die Mitarbeiter dieser Betriebe bald keine Kinder mehr sehen können. In allen Städten ist die Nach frage größer als das Angebot bei diesen Kinderspäßen, für die die Eltern gar nichts oder weniger als fünf Mark am Tag zahlen müssen. Frau Mischke in Hattingen, die Leiterin des Jugendamtes, kennt die Situation vor Ort. In Hattingen, so hat sie festgestellt, fahren in diesem Jahr viele Leute, so wie Rafaelas Eltern, nicht mit ihren Kindern in Urlaub. Die Krise in der Henrichshütte hält sie davon ab. „Und wir haben einige von den 2.900 bei unseren Veranstaltungen dabei“ sagt sie. „Die 2.900“, in Hattingen heißt es inzwischen so, sind die Hüttenarbeiter, die nach dem Willen der Thyssen–AG demnächst auf der Straße stehen. Aber, „wir müssen was tun“, sagt Frank Führle beim Steuern des Schweinetransports, „wir kriegen immer mehr Kinder von sozial schwachen Familien dazu. Die wollen wir aus den Stadtteilen ins Grüne holen. Die sollen klettern können, mit Holz bauen und Tiere kennenlernen.“ Zur Unterstützung der Thyssen–Arbeiter läßt sich das Jugendamt sogar dafür einspannen, auch ein „Kinderhaus“ bei einem „Dorf des Widerstands“ zu organisieren, das die IG Metall im September auf dem Parkplatz vor der Henrichshütte als Symbol des geschlossenen Widerstands der ganzen Stadt errichten will.