Sozialhilfehygiene

■ Staubsauger für Sozialhilfeempfänger?

Um was sich vor deutschen Gerichten herumgestritten wird, drückt manchmal mehr über den Zustand einer Gesellschaft aus als zig demoskopische Umfragen. Da mußten sich jetzt Braunschweiger Verwaltungsrichter ernsthaft mit der Frage beschäftigen, ob Sozialhilfeempfängern ein Staubsauger zusteht oder ob es dieser Gruppe von Menschen - in Klammern: meist weiblich - zuzumuten ist, mit Lappen und Bürste auf dem Boden herumzurutschen. Die Vorgeschichte dieses zynischen Streits: mehrere Behördengänge des Antragstellers, Beschwerde beim Amtsleiter, schriftliche Erwiderung des Sachbearbeiters, das Gericht wird eingeschaltet, womöglich auch ein Rechtsanwalt. Das alles beschäftigt eine ungezählte Anzahl von Staatsdienern (sämtlich in Besitz eines solchen staubsaugenden Gerätes) und kostet inzwischen nicht nur Arbeitsstunden, sondern auch ein mehrfaches der Staubsaugerkosten von 100 Mark. Aber wenn eine Behörde sich auf einen Rechtsstreit einläßt, dann geht es nicht ums Geld, sondern ums Prinzip. Und das Prinzip heißt in dem „Staubsaugerstreit“: keinen Pfennig für Sozialhilfeempfänger, der Annehmlichkeit erwecken könnte. Die Brauchschweiger Richter haben es geschafft, dem Antrag auf einen Staubsauger stattzugeben, ohne an diesem Prinzip zu rütteln. Schon aus hygienischen Gründen sei ein Staubsauger geboten, meinten sie. Das mag auch die kleinkarierten Sozialamtsbürokraten befriedigen, denn Sozialhilfeempfängern mag es ruhig „dreckig“ gehen in diesem reinlichen Lande - nur dreckig sein darfs nicht. Vera Gaserow