Streit um geplantes Daimler–Werk in Rastatt

■ Subventionen für Daimler gekürzt / EG–Kommission: „Nur“ 80 Millionen DM Landessubventionen für PKW–Werk in Rastatt / Jetzt klagen die Umweltschützer gegen das Projekt im Naturschutzgebiet der Rastätter Rheinauen / Jubel der Rastätter ist weitgehend verflogen

Von Dietrich Willier

Stuttgart (taz) - Ein neues PKW–Werk in Rastatt, geplant vom reichsten Konzern der Republik, Daimler–Benz, darf „nur“ mit 80 Mio. Landessubventionen gefördert werden. Darauf einigten sich gestern der Wettbewerbskommissar der EG Peter Sutherland und sein deutscher Kollege, Industriekommissar Karl–Heinz Narjes. Im vergangenen Jahr hatte der baden–württembergische Ministerpräsident Lother Späth dem Stuttgarter Automobil– und Rüstungskonzern fast das doppelte als Landessubvention für die Ansiedlung eines neuen PKW–Werks in den Rastätter Rheinauen in Aussicht gestellt. Mit der Landesförderung, so Späth damals, sollten 8.000 neue Arbeitsplätze im Rastatter Raum geschaffen und eine teilweise Abwanderung des Konzerns in andere Bundesländer verhindert werden. Auch Bremen hatte sich mit großzügigen Ange boten um das neue PKW–Werk bemüht. Die SPD und FDP–Opposition im Stuttgarter Landtag hatte sich zwar grundsätzlich für die Daimler–Ansiedlung in Rastatt ausgesprochen, eine Subventionierung über die übliche, regionale Landesförderung hinaus aber verweigert. Landtags–Grüne und regionale Umweltschutzverbände kritisieren das Projekt im Naturschutzgebiet der Rastätter Rheinauen grundsätzlich aus ökologischen Gründen. Daimler– Benz, so ist von der Stuttgarter Konzernspitze zu hören, ist zufrieden. Geht jetzt alles nach den Plänen von Konzern und Landesregierung, so soll im kommenden Jahr mit den Bauarbeiten begonnen werden. Wenn nicht, so will sich Daimler–Benz aus produktionstechnischen Gründen doch noch nach einem anderen Standort umsehen. Eine Abfuhr wie die durch das Karlsruher Bundesverfassungsgericht nach zehn jährigem Kampf gestoppte Daimler–Teststrecke in Boxberg will man sich nicht noch einmal einhandeln. Genau das ist, da es um einen komplizierten juristischen Streit um ökologische, Standort– und Verfahrensfragen geht, längst absehbar. Siegfried de Witt, der Freiburger Umwelt–Erfolgsanwalt, hat die Geschäfte in die Hand genommen, selbst der ehemalige Bundesumweltminister hatte ökologische Bedenken bekommen, und mittlerweile verfügt die Arbeitgemeinschaft Rastätter Umweltverbände über ein Sperrgrundstück im geplanten Industrieareal. Die Arbeitsgemeinschaft baden–württembergischer Umweltverbände befürchtet nicht nur eine Absenkung und Verschmutzung des Grundwassers, sondern eine extreme Luftverunreinigung. Bei einer täglichen Produktion von ca. 1.000 PKW in dem neuen Montagewerk würden jährlich bis zu 5.508 Tonnen hochgiftiger Lösungsmittel freigesetzt. Brand– und Giftgaskatastrophen durch die eingelagerten Chemikalien könnten nicht ausgeschlossen werden. Ernsthaft, so die Umweltschützer, habe die baden– württembergische Landesregierung Alternativstandorte, etwa nördlich von Rastatt, nie geprüft. Der Jubel Rastätter Bürgerinnen und Bürger sowohl über 8.000 zukünftige Arbeitsplätze und das Daimler–Großprojekt in den Rheinauen als auch über Zusagen der Landesregierung, 25 Millionen allein für ökologische Ausgleichsmaßnahmen investieren zu wollen, scheint weitgehend verflogen. 15 Prozent der Rastätter, so ermittelte das Bielefelder EMNID–Institut, seien inzwischen ganz gegen eine Ansiedlung des PKW–Werks und 39 Prozent zögen einen Alternativstandort an der Autobahn nördlich von Rastatt vor. 9 Prozent der Befragten ist gleichgültig, ob Daimler nach Rastatt kommt und nur 36 Prozent wollen am Standort in den Rheinauen festhalten. Noch vor gut einem Jahr hatte sich eine überwältigende Mehrheit des Rastätter Gemeinderats und der Bürgermeister für das Projekt ausgesprochen. Ihre Erfolgsaussichten im juristischen Streit gegen die Daimler– Ansiedlung beurteilen die Umweltschutzverbände positiv: Schon im Planfeststellungsverfahren zur Erschließung des Geländes seien zahlreiche Formfehler gemacht worden.