Austausch–AKW für Hessen

■ Neue hessische Landesregierung will in Borken ein AKW bauen lassen, wenn Biblis Aabgewrackt wird / Wirtschaftsminister Schmidt nennt als Termin 1993

Von K.–P. Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Obgleich Hessens neue CDU/FDP–Landesregierung angeblich „keinen Ausbau der Atomenergie“ wünscht, will der hessische Minister für Wirtschaft und Technik, Alfred Schmidt (FDP), offenbar einen neuen Atommeiler im nordhessischen Borken bauen. In einem Gespräch mit der taz sagte der Minister, für den Fall, daß das älteste hessische AKW, der BlockA des AKW–Biblis, stillgelegt werden müsse, könne der Bau eines neuen AKW im nordhessischen Borken nicht ausgeschlossen werden. Schmidt: „Wir werden Verluste im Grundlastbereich durch Neubauten ersetzen.“ Laut Schmidt kann der Reaktor BiblisA „durch ständig erfolgende Nachrüstungen“ noch bis 1993 laufen: „Und solange A und B in Biblis arbeiten, brauche ich dort weder einen BlockC noch ein neues Atomkraftwerk in Borken.“ Noch zu Zeiten der rot–grünen Koalition in Wiesbaden hatte der in Hannover ansässige Energiekonzern „Preußen–Elektra“ (PREAG) beim hessischen Wirtschaftsministerium einen Antrag auf Bau eines AKW im nordhessischen Borken gestellt. Nach der Katastrophe von Tschernobyl hatte der damals zuständige SPD– Wirtschaftsminister Steger den Antrag allerdings im Dezember 86 zurückgewiesen. Die hessische CDU warf Steger daraufhin eine „feindselige Haltung gegenüber der Kernenergie“ vor und sprach sich nachdrücklich dafür aus, als Ersatz für das veraltete Braunkohle–Kraftwerk in Borken von der PREAG einen 1.300 Megawatt–Reaktor bauen zu lassen. Wirtschaftsminister Schmidt, der 1986 noch stellvertretender Fraktionsvorsitzender der oppositionellen FDP war, favorisierte dagegen den Bau eines Hochtemperaturreaktors am Standort Borken. In diesem Zusammenhang warf Schmidt der alten SPD/ Grünen–Landesregierung jetzt erneut „doppelzüngiges Verhalten“ gegenüber der PREAG“ vor. Fortsetzung auf Seite 2 Denn die alte Landesregierung habe mit zwei Regierungsmitgliedern im Aufsichtsrat der PREAG gesessen und dennoch eine Politik vertreten, die teilweise gegen das Unternehmen gerichtet gewesen sei. Schmidt: „Das wird es bei mir nicht geben.“ Der FDP–Minister ist seit der Wende neues Mitglied des PREAG–Aufsichtsrates. Gegen die Zurückweisung ihres Antrags hatte die PREAG seinerzeit Klage vor dem Verwaltungsgericht in Kassel eingereicht. Wie PREAG–Pressesprecherin Mayer auf Nachfrage mitteilte, sei die Klage derzeit noch beim Verwaltungsgericht in Kassel anhängig. Das Unternehmen beabsichtige weiterhin, am Standort Borken ein „dem Strombedarf gerecht werdendes Atomkraftwerk“ zu bauen. Beantragt hatte die PREAG am 21.11.85 den Bau eines AKW mit einer elektrischen Leistung von 1.291 Megawatt nach §4 des Energiewirtschaftsgesetzes. Das Unternehmen hatte den Antrag mit der prognostizierten Zunahme des Stromverbrauchs um 2 Die Zuständigkeit für die Genehmigung von Atomanlagen ist zwar - nach der Wende vom 5. April - vom Wirtschaftsministerium auf das neue Ministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit übergegangen, dem jetzt der Christdemokrat Weimar vorsteht. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens, so Weimars Pressesprecherin zur taz, sei allerdings das Wirtschaftsministerium „zuständig“, da es sich bei dem PREAG–Antrag um einen Antrag nach dem Energiewirtschaftsgesetz gehandelt habe. Aus dem laufenden Verwaltungsgerichtsverfahren kann die neue Landesregierung sofort aussteigen. kpk