CSU streitet für Pinochet

■ GEW: Absprache zwischen Zimmermann und dem chilenischen Diktator / Kohl sieht weiterhin keinen Entscheidungsbedarf / Meldung über angebliche Freilassung von zwei Todeskandidaten ist falsch

Bonn/Berlin (taz) - Die Weigerung des Bundesinnenministers, die chilenischen Todeskandidaten aufzunehmen, soll auf einer „Absprache zwischen Zimmermann und dem Diktator Pinochet“ beruhen. Dieser schwerwiegende Verdacht gegen Minister Zimmermann ist der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aus Chile zugetragen worden. Weitere Angaben über seine Informanten wollte der stellvertretende GEW– Vorsitzende Achim Albrecht am Mittwoch nicht machen. Der Sprecher der Gewerkschaft, die sich seit Jahren für die chilenische Opposition auch mit Geldspenden ihrer Mitglieder engagiert, versicherte: „Das ist nicht erfunden.“ Der Auftritt von Bundesarbeitsminister Blüm in Chile habe Leuten jetzt auch Mut gemacht, Informationen weiterzugeben. Albrecht dankte dem CDU–Politiker noch einmal für seinen Einsatz für die Lehrerin Beatriz Brinkmann. Die Gewerkschaft habe jetzt Anhaltspunkte dafür, daß die Deutsch–Chilenin, die seit Monaten im Gefängnis der südchilenischen Stadt Valdivia gefangengehalten wird und gefoltert wurde, bald freigelassen werde. Inzwischen präsentierte das CSU–Zentralorgan Bayerkurier Informationen über angebliche Attentate in Chile und lieferte Detailinformationen über Taten der Todeskandidaten, die nach Aus kunft des Auswärtigen Amtes in Bonn nicht zum Informationspaket der Bundesregierung gehören. „Ich weiß nicht, woher diese Informationen kommen“, sagte der Sprecher des Außenministeriums Schuhmacher auf Anfrage der taz. Die FAZ, die am Mittwoch ähnliche Behauptungen wie der Bayernkurier veröffentlichte, bezeichnete diese als „nachrichtendienstliche Erkenntnisse“. „Das Chile–Abenteuer des Kreuzritters Norbert Blüm“, so das CSU–Organ, „und seines in Bonn wirkenden Propagandachefs Geißler ist Teil einer Gesamtstrategie, die die CDU immer stärker nach links rückt.“ Hier gehe es um die Überlebensfähigkeit der Koalition. Nachdem der bayerische Ministerpräsident und CSU–Vorsitzende Franz Joseph Strauß seine fünf Bundesminister zu einer zweistündigen Lagebesprechung nach München gerufen hatte, sah sich Bundeskanzler Kohl nun am Mittwoch zu einer Stellungnahme genötigt. In der in Bonn verteilten schriftlichen Erklärung sagte der Kanzler: „Gegenwärtig besteht kein Entscheidungsbedarf, da die letztinstanzlichen Urteile chilenischer Gerichte noch ausstehen.“ Der stellvertretende CDU–Vorsitzende Blüm habe seine Chile–Reise, so Kohl, „in Abstimmung mit mir unternommen“. Fortsetzung auf Seite 2 Blüms Erkenntnisse würden in dem Meinungsbildungsprozeß eine wichtige Rolle spielen. Der Kanzler bekräftigte noch einmal die Kabinettsentscheidung vom 23. Juli 87, über eine Aufnahme der Chilenen erst dann zu entscheiden, wenn alle Tatsachen aufgeklärt seien. „Terroristische Gewalt“ aber lehne er „überall in der Welt ab.“ Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Hermann Lutz, widersprach der Auffassung, daß ein politisches Asyl für 15 Chilenen die Sicherheit der Bundesrepublik gefährde. „Heute hängen Bilder von den Männern des 20. Juli in den Amtsstuben und wir sind stolz, daß es ein paar Deutsche gab, die damals den Mut hatten, ebenfalls „Terroristen“ zu sein - aus der Sicht der NS–Machthaber“, sagte Lutz, selbst CDU–Mitglied. Auf der gestrigen Bundespressekonferenz stritten sich das Innenministerium und das Außenministerium ungebrochen weiter. So wiederholte Zimmermanns Sprecher Andreas Butz, für das Innenministerium bestehe „überhaupt keine Veranlassung, seine Meinung zu korrigieren“. Butz verwies auf die Äußerungen des deutschen Botschafters in Chile, wonach sich die Gerichtsverfahren der Chilenen ohnehin noch bis in die neunziger Jahre hinziehen könnten. Die Erklärung von Bundeskanzler Kohl wertete Butz „als Bestätigung der Linie des Bundesinnenministeriums“. Mit leuch tenden Augen nahm Butz dagegen die Äußerung der chilenischen Botschaft in Bonn auf, von den Chilenen seien nur neun von der Todesstrafe bedroht. Zwei befänden sich bereits auf freiem Fuß. Die chilenische Menschenrechtsorganisation „CODEPU“, der auch die Rechtsanwälte der mittlerweile 15 Todeskandidaten angehören, bezeichnete die Informationen der chilenischen Junta auf Anfrage der taz als falsch. Alle 15 seien weiterhin in Haft. Bei vieren sei in erster Instanz die Todestrafe verhängt worden, bei den elf anderen habe die Militärstaatsanwaltschaft in erster Instanz die Todesstrafe beantragt. Der Außenamts–Sprecher Chroburg betonte dagegen, das Auswärtige Amt habe „keinerlei Bestätigung“ für diese Information und gehe nach wie vor von 14 Chilenen aus. Der Sprecher des Arbeitsministeriums erklärte, sein Minister sei bereit, seine Urlaubsreise in Brasilien zu unterbrechen und für eine Sondersitzung des Innenausschusses nach Bonn zu fliegen. SPD und Grüne haben diese Sondersitzung beantragt. Zimmermann will in den nächsten Tagen zu Kohl an den Wolfgangsee reisen. Zimmermann und sein Sprecher Butz blieben auch gestern knallhart, indem sie den Widerstand der 14 Chilenen gegen das Pinochet–Regime weiterhin des „Terrorismus“ bezichtigten. urs/time/k.k.