Entwicklungshilfe im Rückwärtsgang

■ Bundesminister Klein nennt Zahlen: Entwicklungshilfe des Bundes erstmals seit zehn Jahren gesunken / SPD: Entwicklungspolitische Wende / Grüne: Interessen der bundesdeutschen Wirtschaft besimmen Projektpolitik

Bonn (ap/dpa/taz) - Erstmals seit Mitte der siebziger Jahre ist die Entwicklungshilfe des Bundes gesunken. Bundesminister Hans (“Johnny“) Klein ( CSU) gab gestern vor der Presse bekannt, daß die Leistungen von 8,65 Mrd. DM 1985 auf 8,3 Mrd. im vergangenen Jahr zurückgegangen sind. Die Schuld dafür gab Klein, der den Jahresbericht seines Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) vorstellte, bequemerweise den Entwicklungsländern selbst: Eine Reihe von ihnen hätten längst bewilligte Gelder noch nicht abgerufen, daraufhin habe Finanzminister Stoltenberg den Etat erst einmal stagnieren lassen. Der Kapitalhilfe von rund 3,3Mrd. Mark standen 1986 Rückzahlungen früherer Kredite in Höhe von 1,6Mrd. gegenüber. Einige Entwicklungsländer zah len bereits mehr in den Bundeshaushalt zurück, als sie an Neuzusagen erhalten. Bundesminister Klein kündigte an, daß im kommenden Jahr erstmals „bis zu 100 Millionen Mark“ aus diesen Rückflüssen in neue Projekte fließen sollen. Der Rest allerdings soll weiter dazu beitragen, den Bundeshaushalt zu sanieren. Die Schuld an der geringen Wirksamkeit der Entwicklungshilfe gab der Minister in erster Linie dem Protektionismus und den Agrarsubventionen der USA, Kanadas, Japans und der EG. Die Bonner Opposition wies in ihrer Kritik des Jahresberichtes auch auf die Folgen der entwicklungspolitischen Wende seit dem Regierungswechsel hin. Für Uwe Holtz (SPD), den Vorsitzenden des zuständigen Bundestagsausschusses, wird die Entwicklungspolitik oft „zur Waffe für wirt schaftliche und ideologische Positionsgewinne degradiert“. Für die Grünen kritisierte die Abgeordnete Uschi Eid, daß vor allem die Exportinteressen der bundesdeutschen Wirtschaft die Projektpolitik bestimmten. Die von dem bis März amtierenden Entwicklungshilfeminister Jürgen Warnke eingeführte „Mischfinanzierung“ (Kopplung von zinsverbilligten mit kommerziellen Krediten) habe die Tendenz zu kapitalintensiven Großprojekten verstärkt. Die Förderung der von der UNO als „am wenigsten entwickelt“ eingestuften Länder (“LLDC“) sei dafür zurückgegangen wie auch Projekte der Ernährungssicherung. mr