Count Down für Sri Lankas Guerilla

■ Guerillaführer Prabakaran in Tamilenhochburg Jaffna eingetroffen / Waffenübergabe verzögert / Proteste im Süden halten an / Tamilische Plantagenarbeiter wurden von Singhalesen angegriffen / Verschwörer in Ministerrang verzichten auf geplanten Putsch in Colombo

Aus Madras Biggi Wolff

Nach tagelangen Verhandlungen mit der indischen Zentralregierung in Neu Delhi ist der Führer der größten tamilischen Guerillaorganisation LTTE, Prabakaran, am Sonntag mit einem Flugzeug der indischen Luftwaffe in die Tamilenhochburg Jaffna zurückgeflogen. Zuvor hatten indische Truppeneinheiten vergeblich versucht, die im indisch–srilankanischen Abkommen vorgesehene Waffenübergabe seitens der tamilischen Guerillagruppen zu beschleunigen. Der Kommandeur der über 3.000 nach Sri Lanka entsandten indischen Soldaten, Generalmajor Harkirat Singh, wurde bei seiner Ankunft im Norden wenig herzlich mit „Wir wollen Prabakaran“–Rufen empfangen. In Jaffna–Stadt wurde am Wochenende ein großes Protestfasten für die Rückkehr des Guerillaführers durchgeführt, und 400 tamilische Kämpfer in der Hafenstadt Kankasanturai weigerten sich, ihre Waffen abzugeben, bevor ihr Chef sie nicht dazu auffordere. Die Führer der verschiedenen Tamilengruppen scheinen jedoch inzwischen zum Einlenken bereit. Ein Sprecher der LTTE teilte in Neu Delhi mit, der seit Freitag bestehende Waffenstillstand werde auf jeden Fall eingehalten: „Wir wollen nicht gegen die indische Armee kämpfen. Sie ist hier, um uns zu beschützen.“ Wenn alles weiter laufe wie geplant, werde am Dienstag mit der Waffenübergabe seitens der Guerilla begonnen. Die indische Seite zeigte Verständnis und erklärte, die für Montag festgesetzte Frist sei „flexibel“ und man werde weiter versuchen, die Guerilla zu überzeugen. Gelänge dies nicht, müsse die indische Armee sie sich aber holen. Als erster Guerillavertreter hat der Sprecher der mit der LTTE verbündeten EROS inzwischen in der indischen Presse zu den Inhalten des indisch–srilankanischen Abkommens Stellung genommen. Balakumar erklärte gegenüber der Tageszeitung The Hindu, EROS sei bereit, die Waf fen abzugeben, aber man brauche noch Zeit, um die „psychologischen Barrieren“ bei den Kadern abzubauen. Denn schließlich habe die Organisation zu den Waffen gegriffen, um bestimmte politische Ziele durchzusetzen. So habe EROS vor allem für eine Lösung der Probleme der tamilischen Plantagenarbeiter gekämpft, in dem jetzigen Vertrag seien für diese Gruppe jedoch keinerlei Verbesserungen vorgesehen. „Wir sind nicht glücklich über das Abkommen, aber wir behindern es nicht“, denn die EROS hoffe, die indischen Truppen würden „den USA und dem israelischen Geheimdienst in Sri Lanka die Tür weisen“. Als weiteren Grund ihrer reservierten Haltung nannte Balakumar das für den Osten Sri Lankas geplante Referendum, in dem erst endgültig über die Zusammenlegung des Nordens und Ostens entschieden werden soll. Im gleichen Sinn äußerte sich auch der indische Premier Gandhi, der am Wochenende nach Delhi zurückkehrte. Indien sei durch das Abkommen gestärkt worden und „jene Mächte“ seien zurückgewiesen worden, die versucht hätten, Sri Lanka vom Pfad der Blockfreiheit abzubringen. Es sei nunmehr gesichert, daß ausländische Rundfunkstationen ihre Arbeit in Sri Lanka nicht zu Spionagezwecken nutzen könnten - ein dezenter Hinweis auf den Sender der Voice of America. Unterdessen gingen im Süden Sri Lankas die Proteste gegen das Abkommen weiter. Im Südwesten griffen Singhalesen tamilische Plantagenarbeiter an, töteten mindestens 20 Menschen und steckten mehrere Siedlungen in Brand. Singhalesische Schlägerbanden versuchten, das vor allem mit tamilischen Häftlingen besetzte Welikadegefängnis zu stürmen. Innerhalb der Regierung Sri Lankas soll es nach indischen Presseberichten Putschpläne gegeben haben. Die Verschwörer im Ministerrang hätten aber angesichts der militärischen Überlegenheit Indiens und der Entschlossenheit Gandhis, das Abkommen durchzusetzen, auf die Realisierung der Umsturzpläne verzichtet.