Strafverfahren gegen rechtsradikalen Studiendirektor

■ Laurien wird nicht geladen / Kammer weist alle Beweisanträge ab / Nebenkläger: „Gericht übt politische Rücksicht“ / Auch die ungewöhnliche Protektion des Neonazis ist dem Gericht egal

Von Felix Kurz

Koblenz (taz) - „Die Kammer will möglicherweise aus Gründen der politischen Rücksichtnahme nicht zur Kenntnis nehmen, daß strafbare faschistische Meinungsäußerungen durch Gestaltung eines allgemeinen politischen Klimas gefördert werden können.“ Mit diesen Worten kommentierte der Frankfurter Rechtsanwalt Christoph Kremer gegenüber der taz die Entscheidung der 9. Großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz, die im Berufungsverfahren gegen den wegen Volksverhetzung und Beleidigung angeklagten Studiendirektor Rudolf Koch gestellten Beweisanträge allesamt abzulehnen. Christoph Kremer, der den rheinland– pfälzischen Landesverband der Grünen in dem Verfahren als Nebenkläger vertritt, hatte insgesamt 26 Beweisanträge gestellt. Damit wollte der Anwalt sowohl die „aus der Tat hervorgehende Gesinnung des Angeklagten“ - so schreibt es §46 Strafgesetzbuch vor - ausleuchten als auch die von der Vorinstanz heftig kritisierte „Protektion“ Kochs „bis in höchste Kreise“ aufklären lassen. Aus Schulakten, die im ersten Verfahren gegen den Studiendirektor noch nicht auffindbar gewesen waren, war eindeutig hervorgegangen, daß sich unter anderem die heutige Berliner Schulsenatorin und frühere Staatssekretärin im rheinland–pfälzischen Kultusministerium, Hanna–Renate Laurien (CDU) mehrmals für den rechtsradikalen Angeklagten eingesetzt hatte. Ministerialbeamte hatten Lauriens Maßnahmen ohne Erfolg als „rechtswidrig“ widersprochen. Durch „Decken und Beförderung“ von Koch sei für den Angklagten ein Klima entstanden, so Kremer, das die „Hemmschwelle für faschistische und volksverhetzende Äußerungen herabgesetzt habe“. Zwar lehnte auch die Staatsanwaltschaft eine Ladung der Berliner Schulsenatorin ab, aber zahlreichen Beweisanträgen Kremers, mit denen durch die Vernehmung von ehemaligen Kollegen des Angeklagten aufgezeigt werden sollte, wes Geistes Kind dieser Lehrer ist, trat sie bei. Für die Strafkammer gingen sämtliche Anträge zu weit. Bemerkungen wie, er wolle Schüler „zerstampfen“ oder „niederknüppeln“, wertete das Gericht bei Koch als „unangebrachte Äußerungen“. Zwischen der allgemeinen Einstellung des Angeklagten, „die nicht jedermanns Billigung finden kann“, und den vorgeworfenen Taten besteht für die Kammer „kein innerer Zusammenhang“. Auch die ungewöhnliche Protektion des Koblenzer Studiendirektors durch namhafte rheinland– pfälzische CDU–Politiker und die Kultusbürokratie interessierte das Gericht nicht. „Selbst wenn das der Fall gewesen wäre“, so der Vorsitzende Richter Alsbach, „dann könnte daraus nur hergeleitet werden, der Angeklagte habe sich sicher vor dienstordnungsrechtlichen Maßnahmen fühlen können. Keinesfalls jedoch ist der Schluß möglich, es seien ihm Straftaten - allgemein und insbesondere die ihm hier vorgeworfenen - ermöglicht worden“. Am kommenden Freitag will das Gericht sein Urteil verkünden.