Der Eigen–Tor

■ Heiner Geißlers deutsch–deutsche Ideen

In der Geschichte der Komödie ist eine der klassischen Grundfiguren der „betrogene Betrüger“. Betrachtet man die aktuellen Äußerungen Heiner Geißlers in dieser Tradition, dann ist der Chef–Demagoge unserer Regierung ausnahmsweise zum Lachen: Die DDR solle sich stärker dem Tourismus öffnen, fordert er, damit Bundesbürger im Osten urlauben können, vor allem aber, damit die DDR mit mehr Devisen mehr Westreisen ermöglichen könne. BRD–Touristen als nützliche Idioten deutschpolitischer Kalküle? Noch prägnanter ist Geißlers Eigentor in Sachen Medien: Beide DDR–Programme will er in die BRD–Kabelnetze einspeisen lassen, damit trotz politischer Differenzen „wertvolle Informationen über den Alltag der Menschen im anderen Teil Deutschlands“ zu uns dringen. Geißler weiß natürlich, daß das DDR–Fernsehen ausschließlich grob geschönte Jubelnachrichten über den Alltag des Landes sendet. Zu behaupten, in diesem Apparatschikfernsehen würden wertvolle Nachrichten vom realsozialistischen Alltag verbreitet, ist etwa so aufrichtig und angemessen, als würde einer allen Ernstes die Überzeugung vertreten, Heiner Geißler gebe ein realistisches Bild der westdeutschen Regierungspolitik. Wenn er zugleich fordert, die ganze DDR mit Westfernsehen zu bekabeln, dann wird auch das nur in seinem Sinne sein, wenn das medienpolitische Rollback der Wende sehr viel zügiger vorangetrieben wird. Die kritische und differenzierte Berichterstattung von Leuten wie Merseburger paßt nicht in Geißlers Indoktrinationspläne. Der Demagoge verfängt sich in seinen ideologischen Fallstricken: der betrogene Betrüger, der lachhafte Eigen–Tor! Klaus Nothnagel