Demokratie bedroht

■ Zum Ende der Iran–Contra–Anhörungen

Geschockt waren nur die Naiven, die unverbesserlichen Demokratiegläubigen. Für die große Mehrheit der Mitglieder der Irangate–Ausschüsse im US–Kongreß hingegen gehörten die Enthüllungen während der vergangenen drei Monate zur Politiker–Routine. Zwar sahen die Demokraten ihre Chance gekommen, den Teflon–Präsidenten während des Rests seiner Amtszeit zu domestizieren und der Republikanischen Partei ihre Chancen für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf zu vermiesen, aber zu sehr wollte man dann doch nicht den Ungeheuerlichkeiten auf den Grund gehen. Genauere Kenntnisse über die geheimen Machenschaften der Nebenregierung im Keller des Weißen Hauses hätten ja das entgültige Aus für die „legale“ Contra–Unterstützung bedeuten können, womöglich hätte sogar ein Verfahren gegen Präsident Reagan eingeleitet werden müssen. Nein, da waren sich die Vertreter beider Parteien einig: Zu weit durfte man es nicht treiben mit der Wahrheitsfindung im Namen der Demokratie, vielmehr galt es, gerade diese vor berechtigten Zweifeln zu schützen. Geschickt immunisierte man deshalb die Öffentlichkeit mit Hilfe kleiner Dosen absurder Einzelheiten über die Machenschaften im Weißen Haus gegen die aufkeimende Angst, die größte Demokratie der Welt sei gar nicht so groß. Um solchen destabilisierenden Tendenzen zuvorzukommen, inszenierten die Untersuchungskommissionen in wochenlangen Vorbereitungen den Auftritt von Oberstleutnant North. Der Desperado in Uniform übernahm die ruhmvolle Aufgabe, dem Fernsehvolk zu erläutern, wie er mit Intrigen und Vertuschungsmanövern, die jeden Verschwörungstheoretiker erblassen lassen, den Rechtstaat verarschte, um die Ehre seines Präsidenten und der amerikanischen Nation aus den Klauen des wankelmütigen und unzuverlässigen Kongresses zu retten. Soviel bejubeltem Patriotismus hatten die Liberalen im Kongreß nichts entgegenzusetzen: Wo sie untersuchten und auf Gesetze pochten, vertraten die Rechten offensiv ihre politischen Überzeugungen. Im Kampf gegen die Roten heiligen alle Mittel den Zweck, und wenn der Ayatollah die Contra finanziert, ist das ein gelungener Coup. Ein anarchistischer Held also, der nur leider für die falsche Seite kämpft? Und wozu auch die Aufregung: Seit Kennedys Zeiten werden mit Drogenschmuggel und illegalem Waffenhandel in den USA geheime Streitmächte und Nebenregierungen finanziert. Dem „Secret Team“, das von Anfang an dabei war, soll nächstes Frühjahr der Prozeß gemacht werden. An der US– Geheimpolitik wird es nichts ändern. Michael Fischer