„Wir haben uns nicht ergeben“

„Nein, ergeben haben wir uns nicht“, erklärte als einer der ersten der Sprecher der an der Ostküste starken Tamilenorganisation EPRLF, Ketheeswaran, „wir begrüßen das Abkommen mit der Regierung Sri Lankas als Schritt in die richtige Richtung und wir akzeptieren Indiens Rolle als Friedensgarant in der Region, solange Gandhis Politik antiimperialistische Elemente enthält“. Auch die tamilischen Organisationen PLOT und TELO stimmten dem zu. Für sie war das Einschreiten Gandhis weit weniger ein Verlust an Unterstützung als die Lösung einer sehr zweischneidigen Situation: Durch verschiedene Attacken auf die kleineren tamilischen Organisationen hatten sich die Liberation Tigers of Tamil– Eelam LTTE in den vergangenen Jahren als militärisch stärkste Gruppe herausgebildet. Die Zustimmung der Tiger und auch EROS dagegen wurde von Indien mit zweifelhaften Methoden erreicht. Unisono beklagen die tamilischen Organisationen, man habe nur sehr wenig Zeit gehabt, die von Indien vorgelegten Pläne überhaupt einzusehen. Je nach politischem Standpunkt schwanken die Angaben zwischen fünf Minuten und mehreren Stun den. „Alles war vorbestimmt, Ergänzungsmöglichkeiten gab es nicht“, erklärt zum Beispiel die LTTE–Führung, die durch ihren Oberbefehlshaber Prabakaran und den politischen Berater Balasinghan in Delhi vertreten war und sich - so die von der LTTE erhobenen Vorwürfe - unfreiwillig und weit länger als geplant dort aufhalten mußten. Die anderen Gruppen blieben zwar ohne Hausarrest in Delhi, doch nähere Nachfragen ergeben, daß auch sie entgegen den offiziellen Statements nur mit großen Bedenken unterschrieben. Hauptkritikpunkt der Gruppen ist die Tatsache, daß erst ein Referendum über die endgültige Zusammenlegung des tamilischen Nordens mit dem teilweise tamilischen Osten zu einer Provinz entscheiden soll. Die Bildung e i n e r tamilischen Provinz war für die Gruppen der einzig mögliche Kompromiß, um auf den jahrlang geforderten Separatstaat Eelam zu verzichten. Daneben kritisiert EROS– Sprecher Balakumar das Fehlen einer Lösung für die 800.000 im Süden und zentralen Hochland lebenden tamilischen Plantagenarbeiter, von denen immer noch über ein Viertel staatenlos ist. Ferner zweifelt EROS daran, daß das Ab kommen innenpolitisch wirklich durchsetzbar ist und forderte deshalb, die Waffen erst niederzulegen, nachdem das ab Mitte August wieder tagende Parlament die Regelung ratifiziert habe. Denn immerhin sind die Falken im Kabinett „Verschacherung eines Drittels von Sri Lanka an die Tamilen“. Präsident Jayewardene hat erklärt, er sei bereit, den Militanten zu vergeben, wenn sie die Waffen niederlegten. „Reiht Euch in den Hauptstrom des nationalen Lebens ein und laßt Euch durch Wahlen in politische Positionen bringen“,lautet der verlockende Appell aus Colombo. Und zumindest die kleineren Gruppen, so scheint es, steigen drauf ein. So schließt Keetheeswaran von der EPRLF eine Beteiligung an Wahlen nicht aus. Man plane „mit einem Bein im Parlament, mit einem außerhalb“ in enger Verbindung mit progressiven Singhalesen weiterzuarbeiten und so viele Kräfte wie möglich von Indien nach Sri Lanka abzuziehen. Weit schwieriger gestaltete sich offenbar die „Überzeugung“ der LTTE und ihres Führers Prabakaran. Wiewohl durch die letzte militärische Offensive der srilankanischen Armee im Norden Sri Lankas erheblich militärisch geschwächt, leistete Prabakaran bis zum letzten Moment hinhaltenden Widerstand, und auch die LTTE– Kämpfer - jahrelang auf den Kampf bis zum letzten Mann eingeschworen - widersetzten sich noch bis Montag hartnäckig einer Entwaffnung. Erst die Rückkehr von Prabakaran nach Jaffna ließ die Horrorvision verschwinden, daß indische Truppen womöglich zur Durchsetzung tamilischer Rechte auf tamilische Kämpfer schießen müßten. Was Prabakaran für sein Einlenken außer einer gewissen Bewegungsfreiheit noch alles versprochen wurde, ist offen. Es wird jedoch vermutet, daß die LTTE–Führung als politische Berater einer Interimsregierung bis zu den Wahlen Ende des Jahres eingesetzt werden. Die Frage ist jetzt, inwieweit es radikalen singhalesischen Kräften im Süden Sri Lankas gelingt, die Präsenz der indischen Truppen für antiindische und antitamilische Propaganda auszunutzen. Biggi Wolff, Madras