Kronzeugen gegen Zimmermann

■ Auf Einladung der Grünen kommen heute Angehörige der 15 zum Tode Verurteilten in die Bundesrepublik / Chilenischer Geheimdienstler bestätigt Folter an den Verurteilten / Interview in der neuesten Stern–Ausgabe

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Auf Einladung der Grünen wird heute abend in Begleitung eines chilenischen Rechtsanwalts eine Delegation von Angehörigen der 15 in Chile zum Tode verurteilten Gefangenen zu einem 14tägigen Besuch in der Bundesrepublik eintreffen. Zu dieser insgesamt acht Personen umfassenden Delegation gehören z.B. Sivia Aedo, die Lebensgefährtin des zum Tode verurteilen Hugo Marchant, Anna Maria Garcia Herrera, die Schwester von Carlos Garcia, und der siebenjährige Sohn der Cecilia Rodrigan, die ebenfalls von der Todesstrafe bedroht ist. Die Delegation der Angehörigen wird zunächst am Donnerstag in Bonn vor der Bundespressekon ferenz berichten und für Fragen von Journalisten und Politikern zur Verfügung stehen. Die Grünen haben die Vorsitzenden der zuständigen Bundestagsausschüsse aufgefordert, die Angehörigen zu der für Freitag anberaumten gemeinsamen Sondersitzung einzuladen. Von Samstag an werden die Angehörigen der zum Tode Verurteilten durch die Bundesrepublik reisen und dort auf Veranstaltungen über die Situation in Chile und über das Schicksal ihrer Verwandten berichten. Zumindest drei der 15 von der Todesstrafe bedrohten Chilenen haben ihre vermeintlichen Geständnisse erst nach tagelanger Folter unterschrieben. Das geht aus der morgigen Ausgabe des Stern hervor, der ein Interview mit einem ehemaligen chilenischen Geheimdienstbeamten veröffentlicht. Der ehemalige Korporal der chilenischen Luftwaffe, Andres Valenzuela, erklärt in diesem Interview, er selber habe Jorge Palma, einen der jetzt vom Tode Bedrohten, im September 1983 verhaftet. Noch am gleichen Tag sei Palma im Hauptquartier des chilenischen Geheimdienstes CNI in Santiago ebenso wie seine Leidensgenossen Hugo Marchant und Carlos Araneda mit Fußtritten und Stromstößen gefoltert worden. Der ehemalige Geheimdienstler berichtet über den Alltag in den chilenischen Gefängnissen: „Wenn ein neuer Gefangener angekündigt wurde, dann begannen schon automatisch die Vorbereitungen für die Folter.“ Erst nach einiger Zeit hätten die Gefangenen dann ein Geständnis unterschrieben. „Oft sahen sie nicht einmal, was sie unterschrieben, weil man ihnen die Augen verbunden hatte.“ Ex–Geheimdienstler Valenzuela, der sich jetzt ausdrücklich für eine Asylgewährung der zum Tode Verurteilten in der Bundesrepublik aussprach, hat nach eigenen Angaben selber zehn Jahre lang bei Folter und Erschießungen mitgemacht, bevor er Chile 1984 auf illegalem Weg verließ und in Europa untertauchte. Er erklärte sich jetzt bereit, dem Bundeskanzler, dem Innenminister oder den Parlamentsausschüssen über seine Kenntnisse und Erfahrungen mit Foltermaßnahmen in Chile zu berichten.