Doch Lösung im Autoren–Clinch?

■ Aufruhr wegen Verkauf des Luchterhand–Verlags / Beirat ausgetrickst / Kluwer–Verlag jetzt bereit, das literarische Programm mit Autonomie zu übernehmen / Autoren drohten mit Rücktritt

Von Thierry Chervel

Berlin (taz) - Der Verkauf des Luchterhand–Verlags an die niederländische Verlagsgruppe Kluwer ist perfekt. Wie Luchterhand– Geschäftsführer Fritz Berger mitteilte, hat Kluwer nicht nur den Fachbuch–, sondern auch den literarischen Bereich des Verlags übernommen. Gegen diesen Verkauf war es in der Belegschaft des in Darmstadt ansässigen literarischen Programms bei Luchterhand und unter den Autoren zum Aufruhr gekommen. Auf dem Spiel stand immerhin einer der renommiertesten deutschen Literaturverlage mit Autoren wie Grass, Christa Wolff uns Peter Bichsel sowie eine Menge Arbeitsplätze. Auf dem Spiel stand ebenfalls das berühmte Beiratsstatut des Verlags, das Autoren und Belegschaft den Gesellschaftern 1976 abgetrotzt hatten und das ihnen „Transparenz und Einfluß“ bei einem Verkauf oder bei Umstrukturierungen des Verlags zusicherte. Als Autoren sitzen in diesem Beirat, der halbjährlich tagt, Günther Grass, Peter Härtling, Peter Bichsel und Max von der Grün. Hinzu kommen zwei Vertreter der Geschäftsleitung und ein Belegschaftsmitglied. Dieser Beirat wurde von den Eigentümern ausgetrickst. Bevor die Gesellschafter des Verlags nämlich mit Kluwer in Verkaufsverhandlungen traten, hatten sie den Beiratspassus aus dem Gesellschaftervertrag still und heimlich gestrichen. Das war 1984. Der Beirat tagte unverdrossen weiter, nicht wissend, daß er von den Gesellschaftern längst schon abgeschafft war. Erfahren haben es die Vertreter der Autoren und der Belegschaft jetzt erst, als sie auf die im Status verbrieften Rechte pochten. Die Autoren erklärten ihr Entsetzen über den „beispiellosen Vorgang“ und ihre Entmündigung und drohten mit kollektivem Austritt aus dem Verlag. Die Frage war, ob Kluwer - die drittgrößte niederländische Verlagsgruppe - das literarische Programm von Luchterhand überhaupt fortführen wollte. Ökonomisch ist das juristische Programm nämlich interessanter. Die Wogen haben sich inzwischen geglättet. Kluwer war - wenn man es glauben will - über die Existenz des Beirats so wenig informiert wie der Beirat über seine Inexistenz. In einer gemeinsamen Presseerklärung heißt es, Kluwer sei sich der Bedeutung des literarischen Programms bewußt, was auch für den beträchtlichen Anteil der DDR–Literatur daran gelte. Kluwer wolle es weiterführen und zwar unabhängig von der Fortführung des juristischen Verlags. Der Verlag appelliert an die literarischen Autoren von Luchterhand, an dieser Umorganisation mitzuwirken. Entweder soll das Programm, bei Beibehaltung seiner Autonomie, einem niederländischen oder einem deutschen Verlag angegliedert werden. Am nächsten Dienstag treffen sich Autoren und Belegschaftsvertreter, um mit Kluwer die neue Struktur und das Beiratsmodell zu diskutieren. Die Autoren drohen, so Härtling zur taz, nach wie vor mit kollektivem Austritt aus dem Programm, falls es nicht in seiner bisherigen Autonomie weitergeführt wird. Es gebe auch andere Verlage in Deutschland. Fraglich ist allerdings, ob auch die weniger bekannten Autoren von Luchterhand so leicht einen neuen Verlag finden würden wie die Stars.