CSU entlarvt Geißler als Linken

■ Chile–Streit in den christlichen Parteien geht weiter / CSU–Organ Bayernkurier wirft Geißler und Blüm „Linkstendenzen“ vor / Geißler: CDU nicht auf Konfrontationskurs mit der CSU

Aus Bonn Oliver Tolmein

Während in Bonn von CDU–Seite versucht wird, den Parteien–Konflikt um die Aufnahme der 14 chilenischen Todeskandidaten zu entschärfen, setzt die CSU offenbar weiterhin auf Konfrontationskurs. In der heute erscheinenden Ausgabe des Bayernkuriers attackiert dessen Chefredakteur Scharnagl CDU–Generalsekretär Geißler und Bundesarbeitsminister Blüm, denen er „Linkstendenzen“ vorwirft. Es müsse im CDU–Hauptquartier zu „kritischer Selbstbesinnung führen“, daß „Kommunisten, Grüne und Sozialisten“ beim Thema „Menschenrechte in Chile“ dem eingeschlagenen Kurs lautstark Beifall zollten. Außenminister Genscher wirft Scharnagl in dem Leitartikel vor, einen „Gipfelpunkt der Heuchelei“ erklommen zu haben. Einerseits wolle er die Regierung in Chile unter Druck setzen, andererseits erweise er dem „Vertreter eines fanatischen, blutrünstigen Regimes, wie dem iranischen Außenminister, überdurchschnittliche protokollarische Ehren“. Aufmerksam, so Scharnagl, habe die CSU registriert, daß es zu dem Vorschlag der Jungen Union Saar, CDU und CSU sollten sich voneinander trennen, bisher keine öffentliche Reaktion der CDU–Spitze gebe. Im übrigen gebe es angesichts der hohen Abtreibungszahlen in der BRD auch „im eigenen Haus ein riesiges Stück Arbeit zu erledigen“, führt der Strauß–Vertraute seinen Artikel zu Ende. CDU–Generalsekretär Geißler stellte dagegen gestern auf einer Pressekonferenz in Bonn fest, seine Partei habe sich nicht „auf einen Konfrontationskurs mit der CSU“ begeben. Die heftigen Auseinandersetzungen führte er zum Teil auf „Mißverständnisse“ zurück. Auf die Frage, ob Norbert Blüm trotz des heftigen Streits um seine Chile–Visite dieses Jahr noch nach Südafrika fahre, antwortete Geißler: „Norbert Blüm fährt wann und wohin er will, und wenn er provoziert wird, fährt er noch viel mehr herum.“ Der CDU–Generalsekretär wollte weder bestätigen noch ausschließen, daß er Blüm begleiten werde. Mehrfach betonte Geißler, daß es der CDU um die Menschenrechte überall in der Welt gehe: in der Sowjetunion ebenso wie in Chile. Fortsetzung auf Seite 2 In der CDU/CSU–Fraktion sind unterdessen die Vorbereitungen für die am Freitag stattfindende Sondersitzung von Innen– und Auswärtigem Ausschuß auf Hochtouren angelaufen. Heute abend treffen sich auf Einladung des Fraktionsvorsitzenden Dregger die gesamte Spitze der Unionsfraktion mit Heiner Geißler, Norbert Blüm und Innenminister Zim mermann. Morgen früh werden dann noch einmal die Arbeitsgruppen Auswärtiges und Innenpolitik zu einer gesonderten Vorbereitungsrunde zusammentreffen. Der stellvertretende Unionsvorsitzende Miltner hat den Kurs, den die Union voraussichtlich einschlagen wird, vorgegeben: Es soll nicht um Entscheidungen, sondern um Informationen seitens der Bundesregierung gegen. Eine Anhörung der gestern abend in der BRD eingetroffenen Angehörigen–Gruppe aus Chile vor dem Ausschuß lehnte er deshalb auch ab. Allerdings wolle die Unionsfraktion die von den Grünen eingeladenen Angehörigenvor der Ausschußsitzung hören. CDU–Generalsekretär Geißler nutzte das große Interesse an den Bewegungen innerhalb der Union, um auf seiner gestrigen Pressekonferenz auch die programmatischen Schwerpunkte der nächsten Monate zu benennen. Zur Vorbereitung des ursprünglich noch für 1987 geplanten, jetzt auf 1988 verschobenen Programmparteitags sind zwei Arbeitsgruppen gebildet worden, davon eine mit dem Schwerpunkt „Verantwortung für das Leben“. Die Arbeitsgruppen werden von Geißler geleitet, wie auch eine dritte Kommission „Organisations– und Strukturreform der Parteiarbeit“. Geißler kündigte außerdem an, daß sich am 12. Oktober in Bonn erstmals CDU–Bundesvorstand und Bundesvorstand der CDU–Frauenvereinigung treffen werden, um konkrete Maßnahmen für die Erhöhung des Frauenanteils in Parteiämtern zu beschließen.