Washington geht im Golf aufs Ganze

■ Amerikanisch–iranische Rüstungsrunde am Golf / Die Eröffnung einer zweiten Front der Truppen Teherans entlang der Küste würde den Irak entlasten / USA wollen ihre Dominanz in der Region durchsetzen / Ein Ende der amerikanischen Nachrüstung ist nicht abzusehen

Aus Manama William Hart

Generalstäbler oder Jogleure kommen derzeit auf ihre Kosten, wenn sie Aufmärsche, Umgruppierungen und Nachbesserungen in der Golfregion beobachten. Schon jetzt läßt sich sagen, der August wird einer der entscheidenden Monate des Golfkrieges sein, auch wenn kein einziger Schuß zwischen der Islamischen Republik Iran und den USA fällt. Was war passiert? Die USA hatten durch provokative Ankündigungen, kuwaitischen Tankern Militärschutz zu gewähren, die Islamische Republik zu einer Rüstungsrunde am Golf herausgefordert. Iran nutzte die Situation äußerst geschickt. Die iranischen Ölinstallationen und Inseln wurden zu Festungen und die gesamte Küste zu einer potentiellen zweiten Front ausgebaut. Mit der Ankündigung, künftig irakische Luftangriffe mit Angriffen auf Industrieziele in Kuwait und Saudi–Arabien zu vergelten und die Schiffe in Ruhe zu lassen, hatten die Mullahs die USA ins Leere laufen lassen und für wachsende Unruhe auf der arabischen Seite des Golfes gesorgt. Die Explosion einer geschickt plazierten Seemine führte dann dazu, daß weltweit die Verwundbarkeit dermilitärischen Supermacht USA demonstriert wurde. Die Sheikhs am Golf schäumten, statt Sicherheit für ihre Ölexporte hatten die USA ihnen nur iranische Angriffsdrohungen beschert. Irak verschlug es die Sprache: Das Vorgehen der USA hatte dazu geführt, daß die Luftwaffe des Landes nicht mehr iranische Ölex porte und Industriezentren angreifen konnte, ohne die große Eskalationauszulösen. Und die iranischen Revolutionswächter frohlockten: Sie konnten den Pragmatikern in Teheran zeigen, was Sa che ist, und Mobilisierungsorgien feiern. Doch nun möchte Reagan einer gigantischen Nachrüstungsrunde die Initiative wieder in sein Arbeitszimmer zurückverlagern. Eines der seit dem Frühjahr im Monatsabstand wiederholten Mannöver der Revolutionswächter wird zur großen Herausforderung der USA hochstilisiert. Die Äußerungen iranischer Spitzen politiker, die Islamische Republik werde nicht als erste US–Schiffe angreifen, werden einfach überhört. Fünf US–Ziele könnte der seit dem Vietnam–Krieg größte Militäraufmärsche der Vereinig ten Staaten haben. Der persisch– arabische Golf soll wieder militärisch von den USA dominiert werden. Dadurch wird die Sowjetunion langfristig zum Rückzug aus dem Golf gezwungen. Die Dominanz der Islamischen Republik im Golf wird abgebaut, indem die US–Kriegsschiffe auch wieder auf deriranischen Seite operieren. Die Golfstaaten werden über kurz oder lang gezwungen, den US– Streitkräften doch Nutzensrechte auf Militärstützpunkten einzuräumen, womit die zunehmende Neutralitätspolitik der Golfstaaten wieder rückgängig gemacht wird. Und schließlich wird Iran ge zwungen, langfristig Truppen an der Küste von Golf und Indischem Ozean zu stationieren, was zu einer Schwächung ihrer Kräfte an der 1.180 Kilometer langen Landfront führen dürfte. Gleichzeitig wird aber mit der Verwirklichung dieser Ziele das Risiko zumindest kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den US–Streitkräften und Verbänden der Islamischen Republik erheblich gesteigert. Denn durch dieses massive Auftreten erhalten die Hardiner in Teheran Auftrieb. Die Islamische Republik ist nicht mehr in der Situation, den Krieg aus eigenem Willen beenden zu können, ohne daß dieser Schritt als Ergebnis des militärischen Drucks der USA erscheint. Der US–Militäraufmarsch zwingt die Islamische Republik tendenziell dazu, eine zweite Front an der Golfküste aufzubauen. Obwohl die Entscheidung in Teheran noch nichtgefallen ist, zeichnet sich ab, daß Iran die Herausforderung am Golf annehmen wird. Hierfür ist die Verlängerung der iranischen Seemanöver um einen Tag bereits ein erstes Zeichen. Sollte der zweite US–Konvoi Richtung Kuwait tatsächlich noch während des laufenden Manövers in den Golf einfahren, dürfte der Islamischen Republik damit die Entscheidung für den Ausbau einer zweiten Front an der Golfküste aufgezwungen werden. Damit würde der militärische Druck der Islamischen Republik gegen Irak verringert, und Bagdad könnte zum Verzicht auf künftige Luftangriffe bewegt werden. Die Rolle der US–Streitkräfte im Golf würde sich damit jedoch entscheidend verändern. Es geht dann nicht mehr nur um den Schutz von kuwaitischen Tankern, die unter US–Flagge fahren, sondern die US–Schiffe, die sich unabhängig von den Geleitzügen in den Golfgewässern bewegen, werden permanenten Schutz bedürfen, womit sich eine weitere Nachrüstungsrunde der USA abzeichnet, wie sie Caspar Weinberger schon in Aussicht gestellt hat.