„Ehrlose Lumpen“

■ 1975 nannte SPD–Minister Matthöfer die chilenische Junta „Mörderbande“ und wurde heftig kritisiert

„Ich kann die Interessen der Bundesrepublik nicht mehr angemessen vertreten, wenn einzelne Mitglieder der Regierung die verschiedenen Regierungen dieser Welt je nach ihrer persönlichen Auffassung qualifizieren.“ Das starke Wort kam von Hans–Dietrich Genscher und bezog sich auf die Äußerung eines Ministers zu Chile. Aber es war nicht Norbert Blüm, sondern der frisch ernannte Forschungsminister Matthöfer, der den Außenminister vor zwölf Jahren in Rage brachte. Matthöfer hatte die chilenische Regierungsjunta als „Mörderbande“ tituliert und festgestellt: „Machthaber, die Menschen foltern, sind ehrlose Lumpen, schmutzig bis in den letzten Winkel ihrer verrotteten und verlausten Seele.“ Bonn war empört, selbst die damals konkurrenzlos „linke“ Tageszeitung Frankfurter Rundschau kommentierte indigniert: „Nun hat das Regime in Santiago sicher keine Qualitäten, die einen Demokraten zu freundschaftlichen Gefühlen veranlassen könnten. Aber Matthöfer ist Kabinettsmitglied einer Regierung, die offizielle Beziehungen zu Chile unterhält. Diese Funktion verlangt ein Mindestmaß an Selbstdisziplin, auch wenn es schwerfällt.“ Bundeskanzler Helmut Schmidt erklärte die „Reaktion aus einer besonderen psychologischen Situation heraus“. Herbert Wehner wollte sogar wissen, ob Schmidt noch Vertrauen zu Matthöfer habe, und hieb damit in eine ähnliche Kerbe wie der CDU–Abgeordnete Todenhöfer, der des Forschungsministers Rücktritt forderte. Ganz zaghaft nur tönten Stimmen zugunsten Matthöfers. Knapp eine Woche nach Ausbruch des Konflikts gab der allgemein als „Linker“ Gehandelte klein bei, gelobte „Zurückhaltung“. Vokabeln wie „Mörderbande“ und „ehrlose Lumpen“ werde er künftig nicht mehr gebrauchen. Daran hat er sich gehalten. Sechs Jahre später, 1981, mittlerweile zum Finanzminister avanciert, war Matthöfer vollends geläutert und erlaubte der Kreditanstalt für Wiederaufbau, dem chilenischen Regime einen Kredit über zwei Millionen Mark für ein Schiffprojekt zu bewilligen. Norbert Blüm hatte sich 1975 auch zu Wort gemeldet. Im Gegensatz zu den meisten Sozialdemokraten, die erst heute markige Worte gegen Chile nicht scheuen, unterstützte er damals Matthöfers Attacke. In der Zeitschrift konkret (!) schrieb er, wer die offenen Worte für falsch halte, „sollte nicht vergessen, seine Erregung ins Verhältnis zu den Taten derjenigen zu setzen, die Anlaß zu dem Titel Mörderbande gaben“. Oliver Tolmein