UdSSR warnt Bonn

■ Der UdSSR–Außenminister nennt die in der BRD stationierten Pershing 1A „Haupthindernis“ der Abrüstungsverhandlungen / Bonn hält an Position fest

Berlin (dpa/ap/taz) - Die Sowjetunion wird „niemals zulassen, daß die Bundesrepublik zur Atommacht wird“, warnte der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse die Bonner Regierung gestern in seiner Rede vor dem Plenum der UNO–Abrüstungskonferenz in Genf. Die 72 Pershing–1A–Raketen der Bundeswehr mit ihren amerikanischen Atomsprengköpfen seien derzeit Haupthindernis eines Abkommens über den Abbau von Mittelstreckenraketen und müßten in die Verhandlungen einbezogen werden. „Wir verhandeln mit den USA ausschließlich über sowjetische und amerikanische Atomwaffen“, sagte Schewardnadse und spielte dabei auf die US–Atomsprengköpfe für die bundesdeutschen Pershings an. „Deshalb können wir keinen Grund sehen, daß die BRD sich in die Verhandlungen einmischt“ und die Pershings mit ihren Atomsprengköpfen zu „Drittstaatenwaffen“ definiert. „Wenn das Pershing–1A– System tatsächlich einem Drittstaat gehört, dann stellt sich doch die Frage: Warum und mit welchem Recht besitzt die BRD Atomwaffen?“ Wenn dies aber der Fall sei, würde die „Welt vor eine politische Krise gestellt.“ Die BRD sei „weder legal noch moralisch berechtigt“, Nuklearwaffen zu besitzen. Auch die Sowjetunion habe Verbündete, die darüber besorgt seien, daß ein Nachbarland Kurzstrecken–Atomraketen behalte. „Sie könnten die Frage aufwerfen, ob auf ihrem Territorium analoge Waffen stationiert werden müßten, und die Sowjetunion könnte ihnen dabei entgegenkommen. Dadurch würde jedoch eine sowjetisch–amerikanische Vereinbarung „verstümmelt, entmannt und bleichsüchtig“. Die Bundesregierung und CDU–Fraktionschef Rühe wiesen die Vorwürfe zurück. Rühe hielt an dem Begriff „Drittstaatensysteme“ fest. Der US–Chefunterhändler in Genf, Kampelman, bekräftigte, die Pershings seien nicht in die Genfer Verhandlungen einzubeziehen. Schewardnadse hatte in Genf weiter gesagt, die Gegner der Null–Lösung hätten ein neues „Argument“ gefunden, indem sie ein Ungleichgewicht zwischen konventionellen und taktischen Atomwaffen in Europa konstruierten. er Fortsetzung auf Seite 6 Kommentar Seite 4

„Aber weiß denn Bonn nicht, daß die sowjetische Führung ständig auf sofortige Verhandlungen über den Abbau konventioneller und taktischer Atomwaffen und über die Beseitigung aller Ungleichheiten und Ungleichgewichte wo auch immer dringt?“, fragte Schewardnadse. Im weiteren Verlauf seiner Rede gab Schewardnadse weitere Konzessionen der Sowjetunion in der Frage der chemischen Waffen bekannt. Die Sowjetunion würde jederzeit Inspektionen vor Ort zulassen, wenn es die Gegenseite wünsche, und nicht auf einem Ablehnungsrecht beharren. Bislang hatte die Sowjetunion aus „Gründen der nationalen Sicherheit“ sich ein Recht auf Ablehnung von Inspektionen vorbehalten.