Investmentfonds: Suche noch hochkarätigen Schnäppchen

■ Al Frank, Herausgeber des in den letzten sechseinhalb Jahren erfolgreichsten Börsenbriefs der USA, erläutert seine Geschäftsphilosophie, den aktuellen Börsenboom und die Wirtschaftsentwicklung in den USA / Hauptverantwortlich für den Erfolg: Die Jagd der Frau Mama nach Sonderangeboten / Interview Georgia Tornow

taz: Sie sind der Herausgeber des Prudent Speculator. Wie sind Sie dazu gekommen, solch ein Instrument zu entwickeln? Al Frank: Nun, einer der Gründe, warum ich im Börsengeschäft so viel Glück habe, liegt sicher darin, daß ich schon ein langes und interessantes Leben hinter mir habe. Angefangen habe ich als Drucker an der Lynotype. Ich habe damals zwei kleine Firmen gehabt, und da habe ich einige Ahnung übers Geschäft bekommen. Dann drückte ich noch einmal die Schulbank, studierte eine ganze Menge Fächer, Logik, Philosophie, schließlich College–Professor für Erziehungswissenschaften. Dadurch konnte ich einige Analysefähigkeit entwickeln. Und schlußendlich habe ich immer schon Schriftsteller sein wollen, aber auf das Angebot ging leider niemand ein. Der Börsenbrief war da ein glücklich gefundener Anlaß fürs Schreiben und alles zusammen brachte der Sache dann auch Erfolg. Und wie sieht es mit dem strategischen Denken aus? Waren Sie nie beim Militär? Doch, doch. Ich war einige Jahre als Freiwilliger bei der Army und zwar als Radio Operator und Fotograf. Das ist der Bereich Aufklärung? So ähnlich. Was ist denn nun die Geschäftsphilosophie, die Sie in Ihrem erfolgreichen Börsenbrief verkaufen? Meine Philosophie besteht im Grunde darin, Schnäppchen zu ergattern, im Klartext meines Gewerbes sind das unterbewertete Aktien. Ich schaue mir Firmen an, analysiere ihren Wert und vergleiche das mit dem Preis, zu dem sie an der Börse gehandelt werden. Wenn wir herausfinden, daß ihr Preis auf der Hälfte dessen liegt, was wir für den tatsächlichen Wert halten, kaufen wir und halten die Anteile, bis ein Verkaufspreis erreicht ist, der unseren Wertvorstellungen entspricht. In 20 Fälle klappt das nicht, aber in immerhin 80 wir bekommen den wahren Wert in drei bis fünf Jahren. Das ist dann ein hübscher runder Gewinn. Letztlich glaube ich, daß ich zu all dem gekommen bin, weil ich als Junge der unteren Mittelklasse aufgewachsen bin und meine Mutter andauernd damit beschäftigt war, nach Sonderangeboten zu gucken, um irgendwelche Sachen billiger zu bekommen. Eigentlich tue ich auf dem Aktienmarkt genau das Gleiche. Ist Spekulation ein schmutziges Geschäft? Viele Leute behaupten das. Ich weiß. Aber es gibt mindestens zwei Hauptbedeutungen des Wortes Spekulation in den klassischen Sprachen und auch historisch bedeutet es in die Zukunft sehen, etwas dadurch zu gewinnen, daß man die Zukunft analysiert. Es gibt aber auch eine Bedeutung mit negativem Beigeschmack, die schmutzige Seite in dem Sinne, daß man da mit anderen zusammenkommt und irgendwelche Manipulationen vorbereitet. Wir vom Prudent Speculator benutzen den Begriff mit der klassischen Bedeutung, und zwar, weil wir denen, die Anteile oder Aktien kaufen, klar machen wollen, daß sie eine Option auf die Zukunft erworben haben, und daß das keine so sichere Art ist, Geld zu machen wie vielleicht einige andere Investitionen. Machen Sie bei Ihrem finanziellen Engagement Unterschiede? Bevorzugen Sie bestimmte Firmen oder Produktbereiche? Nein, wir machen weder Unterschiede hinsichtlich der Größe noch der Pruduktepalette der Firmen, in die wir investieren. Es gibt Studien, die zeigen, daß die Aktien kleinerer Firmen sich besser entwickeln als bei den großen Brüdern. Das wird der „small stock effect“ genannt oder der „small capitalisation effect“. Aber wir haben da keine vorgefaßte Präferenz. Wenn es eine günstige Gelegenheit ist, dann sind wir an einer sehr kleinen Firma, die Schuhe produziert mit nur einer Million Anteilen, genauso interessiert wie an einem sehr großen Automobilkonzern mit 100 Millionen 50–Dollar–Aktien. Heißt das, daß Sie persönlich auf die Wahlfreiheit verzichten, bestimmte Unternehmen, ihre Produkte, ihre Unternehmenskultur zu stützen und andere nicht? Ah, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Ich persönlich habe nicht De Beers Diamanten–Werte gekauft, auch keine anderen südafrikanischen Aktien, weil ich fand, daß das nicht in Ordnung wäre. Ich mag auch keine Zigaretten–Unternehmen. Aber ganz klar gesagt: Als Firma investieren wir nicht nach sozialen Gesichtspunkten. Weder versuchen wir bewußt, bestimmte Unternehmen zu unterstützen, noch boykottieren wir andere. Einmal hat mir ein Kunde die Anweisung gegeben, auf keinen Fall in irgendetwas mit Atomenergie zu investieren. Später fragte er mich dann, warum ich keine Anteile einer gut gehenden Firma für Medizintechnik gekauft hätte. Da habe ich geantwortet: Die sind doch eine Atom–Firma, die produzieren Radio–Isotopen! Natürlich hatte er nicht so etwas, sondern Rüstungsproduktion gemeint. Aber es gibt eben Unternehmen, die sind so groß und unübersichtlich, vielleicht haben sie Bereiche, in die man eigentlich nicht investieren will. Aber da müssen wir einfach darüber weggucken. Wir müssen vor allem so gut wir können für unsere Kunden investieren, und das heißt, in jedes Unternehmen, das einen guten Gewinn verspricht. Wie kommt es eigentlich, daß gerade in der letzten Zeit rund um das Börsengeschäft die Skandale so sehr zunehmen? Ich glaube, das Börsengeschäft war immer schon eine unehrliche Angelegenheit. Wir haben dafür ein Wort, das heißt sleazy (schäbig). Aber es tut mir leid, wenn ich es so einfach sage: Man muß nicht sleazy sein. Wo immer so viel Geld und so wenig Kontrolle zusammenkommen, wird man immer Leute finden, die diese Situationen ausnutzen. Das Ganze ist etwas außer Kontrolle geraten. Ich bin eigentlich über die Skandale der letzten Zeit ganz glücklich, denn schließlich sind sie ja ans Licht gekommen. Das wird sicher zu mehr Ehrlichkeit beitragen. Aber an der Börse wird es immer Leute geben, die lügen und bescheißen und unwahre Behauptungen verbreiten. Das ist etwas, womit man leben muß, mit aller Vorsicht und einem Set von Abwehrstrategien. Es hat insbesondere im letzten Jahr eine Unmenge von Übernahmen, Ein– und Aufkäufen von Un ternehmen gegeben. Zeichnet sich da eine neue Landkarte des Big Business in den USA ab? Es hat ja in den USA immer Bestrebungen gegeben, Monopolbildungen zu verhindern - jedensfalls im 20. Jahrhundert, vorher nicht -, und das führte zur Verabschiedung der großen Anti– Trust–Gesetze. Aus heutiger Sicht muß man sagen, daß einige davon etwas unrealistisch waren für unsere modernen Zeiten. Es gab immer Spannung zwischen den ganz großen und den ganz kleinen Unternehmen. Ich selber bin ja nun kein Wirtschaftswissenschaftler, aber festzuhalten ist, daß in USA der Wachstumsschub der letzten Jahre in den ganz kleinen Unter nehmen stattfand. Die kleinen Elektronikfirmen waren die neuen Gründer, hier entstanden die meisten Arbeitsplätze. Sind die größten Firmen in den USA heute immer noch die profitabelsten Unternehmen? Vielleicht erkläre ich es an einem Beispiel. General Motors ist ganz eindeutig das größte und mächtigste Automobil–Unternehmen in den USA. Trotzdem haben sowohl Ford als auch Chrysler weitaus besser gearbeitet als GM. Ford, halb so groß wie GM, hat im letzten Jahr sogar eine größere Umsatzsumme erwirtschaftet, die haben mehr Profit gemacht als GM. Chrysler, eine noch kleinere Firma, holte ebenfalls sehr schnell auf. GM gehört natürlich immer noch zu den Giganten und hat früher schon so etwas wie eine Monopolstellung gehabt - immerhin wurden mal 60 Prozent aller Autos von GM verkauft. Trotzdem wurden die von ihren zwei stärksten einheimischen Konkurrenten geschlagen, gar nicht zu reden von den japanischen und deutschen Auto–Importen. Ist die US–Industrie auf den Hund gekommen? Brauchen die Firmen Zeit und Protektionismus, um mit ihrer Produktivität wieder einen internationalen Standard zu erreichen? Naja, halb und halb. Die USAsind nicht so exportabhängig wie viele andere Länder, speziell Japan oder die BRD. Im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt (BSP) haben wir einen niedrigeren Export. Wachstumsstimulationen können sowohl von außen wie von innen erfolgen. Alles in der Wirtschaft und an der Börse entwickelt sich extrem, wie der Ausschlag des Pendels einer Standuhr: Entweder man hat einen Riesenerfolg oder man geht ein. Vor etwa zwei Jahren sah es ziemlich übel aus, insbesondere mit dem hohen Dollarkurs. Als dann die Vereinbarung getroffen wurde, den Kurs zu senken, wurden die Preise für ausländische Produkte niedriger, und das gab der Binnenwirtschaft eine Chance zur Wiederbelebung, und gleichzeitig wurden so die Exporte angekurbelt. Aber Sie glauben nicht, daß wirklich die Produktionsstruktur selbst erneuert oder restrukturiert werden muß? Doch, das ist schon noch nötig. Allerdings ist in der letzten Zeit auch schon einiges an Umstrukturierung und Reorganisation gelaufen. Insbesondere bei den Autokonzernen ist etwa die Robotisierung weit fortgeschritten. Aber unsere Ausgangsposition waren nun einmal hohe Arbeitslöhne. Die Amerikaner kamen mit Prämien auf 20 bis 30 Dollar die Stunde, die Japaner verdienten dagegen an die 15 und die Koreaner dann nur noch zwei Dollar. Die amerikanischen Arbeiter verdienen jetzt weniger als vor zwei, drei Jahren. Es gab diese großen „give back“–Aktionen, wo die Arbeiter auf einen Teil ihres Lohns und ihrer Sozialleistungen verzichteten. In dem Maß also, wie die US–Industrie effektiver wurde und die Arbeiter weniger verdienten und gleichzeitig die Arbeiter in anderen Ländern mehr verdienten, ist das Ganze etwas ausgeglichener geworden. Aber ich glaube auch, daß die USA einige Industriezweige überhaupt verloren haben. Die Stahlindustrie ist zur Hälfte verschwunden, Fernseher und bestimmte Elektronikkomponenten werden gar nicht mehr produziert. Sind ausländische Direktinvestitionen gut oder schlecht für die US–Wirtschaft? Gut natürlich. Ich persönlich hoffe ja darauf, daß wir eines Tages wirklich eine Welt haben werden. Naja, ich sollte vorsichtig sein mit solchen Äußerungen, ich meine die nicht ideologisch. Aber ich denke, daß die Ost–West–Annäherung sehr stark auf wirtschaftlichem Gebiet stattfindet. Der Osten läßt heute freies Unternehmertum zu und wir im Westen haben andererseits sehr stark kontrollierte Wirtschaftsbereiche. Kapitalanlagen des Auslandes in den USA halte ich für genauso sinnvoll wie US–Kapitalbewegungen ins Ausland. Wir wissen eine Menge darüber, was die internationale Verschuldung in der Dritten Welt anrichtet. Wie wirkt sich die Schuldenkrise in den Industrieländern aus? Also, das ist zwar nicht eigentlich mein Gebiet, aber ich habe dazu eine Meinung. Die Auslandsschulden bei den großen US– Banken werden sich bald von selbst erledigen. Das meiste wird nie zurückgezahlt werden. Es wird darauf hinauslaufen, daß das Ganze über einen langen Zeitraum gestreckt wird, und die Banken werden einen Gutteil der Kredite abschreiben, Wertberichtigungen wie bei Citibank eben. Ich nehme da einen optimistischen Standpunkt ein. Vor ein paar Jahren hat es so ausgesehen, als ob Mexiko nicht nur den Staatsbankrott anmelden müßte, sondern vielleicht sogar in revolutionäre Unruhen gestürzt würde. Was tatsächlich passierte, und zwar dank der vernünftigen Politik des IWF und der großen Banken, war die Umschuldung auf längere Zeiträume und zu niedrigeren Zinsraten. Wenn das Ganze nur lang genug gestreckt wird, ist es kein Thema mehr. Allerdings gibt es ein Problem, nämlich dann, wenn es in den nächsten zwei Jahren einen Wirtschaftskrach geben sollte. Aus welcher Richtung kündigt der sich an? Ich weiß es nicht genau . Aber auch wenn das US–Defizit im Verhältnis zum BSP nicht so groß ist, wie es in der Vergangenheit etwa nach dem Zweiten Weltkrieg in der Eisenhower–Ära war, ist es in absoluten Zahlen riesig. Aber das ist managable. Ungefähr die Hälfte des Defizits könnte abgetragen werden, wenn die Zinsrate um die Hälfte fallen würde, etwa auf vier bis fünf Prozent bei den langfristigen Staatsanleihen. Und wenn dann auch noch die Konjunkturbewegung weiter aufwärts geht, wie das sich jetzt andeutet, würden auch Steuererhöhungen eine Menge dazutun, das Defizit abzubauen. Sie glauben, daß es in diesem Jahr einen Aufschwung gibt? Ja, im dritten und vierten Quartal. Denn ich glaube, daß die Weltwirtschaft insgesamt in einer Deflationsbewegung ist, einem sehr starken Trend, der die Zinssätze herunterdrückt, erst in Japan, nun auch in der BRD. Wenn der Dollar sich in ein paar Monaten tatsächlich stabilisiert hat, wird der Diskontsatz der Bundesbank sinken. Dann ist außerdem damit zu rechnen, daß wieder mehr japanisches Geld auf den US–Markt strömt, und zwar nicht nur in den Aktien– Markt, sondern auch in den Devisenhandel. Wir haben hier in der BRD und insbesondere in Berlin einen wachsenden Alternativsektor, dessen Betriebe auch anfangen, auf dem Kapitalmarkt nach Gesellschaftern zu suchen. Können Sie sich vorstellen, daß auch hier Ihre Suche nach unterbewerteten Anteilen Erfolg hat? Naja, es gibt viele Gründe zu investieren. Auf lokaler Ebene haben wir auch in den USA Kooperativen, häufig they run markets and hardware storen. Früher, als ich in Berkley studierte, habe ich selbst solch einem Coop angehört. Das sind ganz ausgezeichnete Einrichtungen für ihre Mitglieder. Es gibt gewerkschaftliche Kooperativen und mittlerweile auch welche im Kreditbereich, sogar ein ganz hübsch großes Segment des amerikanischen Kreditgewerbes ist das, alles prima Einrichtungen für den einzelnen. Aber normalerweise sind die nicht groß genug oder auch nicht ordentlich genug geführt, um tatsächlich als Faktoren für Investitionen interessant zu sein.