Die Rückkehr der Tontons Macoutes

■ Die paramilitärischen Truppen der Duvalier–Diktatur galten nach der Flucht „Baby Docs“ als zerschlagen / Doch nun tauchen in Haiti wieder Mordkommandos auf, offensichtlich aus untergetauchten Mitgliedern der Tontons Macoutes

Von Rita Neubauer

Port–au–Prince (taz) - „Wir wollen keine Kommunisten“, mit diesem Ruf brachen vor einigen Tagen bewaffnete Männer in ein Haus in Lzgane, 40 Kilometer außerhalb der haitianischen Hauptstadt Port–au–Prince, ein. Mit Macheten fielen sie über vier Mitglieder der liberal–konservativen Partei MODELH her, töteten drei, darunter den Parteiführer Luis Athis, und verbrannten die Leichen. Der 46jährige Politiker, der 23 Jahre im Exil verbrachte und nach dem Sturz des Diktators Jean–Claude Duvalier 1986 nach Haiti zurückkehrte, fiel, so sind sich Beobachter sicher,den gefürchteten Duvalier–Schergen Tontons Macoutes zum Opfer. Die einst rund 30.000 Mann starke paramilitärische Truppe, die Tausende von Haitianer unter Duvalier auf dem Gewissen hat, galt als zerschlagen, als am 7. Februar 1986 der Diktator das Land verließ. Doch schon bald zeigten sich Anzeichen, daß die Tonton Macoutes nur untergetaucht sind. Heute wird ganz offen von Rückkehr gesprochen. Jean–Claude Bajeux, Chef der nationalen Menschenrechtsorganisation, der selbst Familienmitglieder unter der Duvalier–Diktatur verloren hat und im Exil in Puerto Rico lebte: „Während nur wenige Einflußreiche das Land verließen, fanden viele erst einmal Unterschlupf auf dem Land. Eine Säu berung fand kaum statt, und jetzt kommen sie wieder zum Vorschein.“ Das man die Tontons Macoutes nicht zur Rechenschaft zog, schreibt Bajeux der Regierung unter General Namphy zu, den er selbst als Macoute anklagt. Neuer Arbeitgeber sei die Armee geworden, die nach dem Regierungswechsel von einer unbedeutenden Kraft mit 7.500 Mann zu einer rund 12.000 Mann starken Truppe anstieg. Vor allem der Kommandant der Dessalines–Kasernen steht in dem Ruf, Tontons Macoutes zu integrieren. Auch bei dem Massaker im nordwestlichen Ort Jean–Rabel sollen Tontons Macoutes beteiligt gewesen sein. Mehr als 100 Bauern wurden dort vergangene Woche mit Macheten, Steinen und Knüppeln niedergemetzelt. Sie waren von Großgrundbesitzern und vom örtlichen Geistlichen als Kommunisten bezeichnet wor den, weil sie ihr Recht auf Pacht von Staatsland einforderten. Wer die neuen Freiheiten nutzt, lebt wieder gefährlich in Haiti. Einem Reporter des katholischen Senders „Radio Soleil“ wurde die „Liquidierung“ angedroht, sollte er seine Berichterstattung über die Regierung nicht ändern. Ein Journalist von „Radio Inter“ wurde überfallen und niedergeschlagen. Mittwoch vergangener Woche tauchten sieben Leichen auf, die nach alter Macoute–Manier gefesselt und gefoltert worden waren. An alte Zeiten fühlten sich auch viele Haitianer erinnert, als Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vorgingen, die eine Absetzung der dreiköpfigen Regierungsjunta forderten. Die Gruppe von 57 Oppositionsorganisationen, die seit Juni wiederholt zu Protestaktionen aufriefen, sieht deshalb die Zeit gekommen, ihre Taktik zu ändern. Dunios Enrique Cantave, Mitglied von KOMAKO (Nationales Komitee für eine Demokratische Bewegung): „Wir können im Augenblick nur Streiks als Kampfmittel einsetzen, alles andere würde in wahre Schlächtereien ausarten.“ Daß die Emotionen hochgehen und auch auf der anderen Seite nicht frei von Haß sind, zeigt der Überfall auf einen Mülltransporter im Zentrum von Port–au– Prince: Er hatte Leichen geladen, die er an einen Ort außerhalb der Stadt bringen sollte. Ein normaler Vorgang, so die Regierung, wenn keine Angehörigen vorhanden seien. Die Menge aber argwöhnte, daß es sich um Tote und Verschwundene nach Demonstrationen handelte, tötete den Fahrer und setzte den Laster in Brand. Ein Radiosender erhielt danach den anonymen Anruf eines Militärs, der behauptete, daß es sich nicht um den einzigen Transport an diesem Tag gehandelt hätte.