Ghaddafi im Tschad vor endgültiger Niederlage

■ Am Wochenende haben die tschadischen Regierungstruppen die letzte von Libyen besetzte Stadt zurückerobert / Libyen hatte das Gebiet seit 1973 kontrolliert / Habre setzt auf die Unterstützung durch Frankreich / Politische Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht

von Georg Blume

Berlin (afp/taz) - Das Jubiläum ist perfekt. Der Tschad wird morgen wie jedes Jahr die nationale Unabhängigkeit feiern, doch nunmehr kann von Unabhängigkeit unter neuen Vorzeichen die Rede sein. Am Wochenende haben die tschadischen Regierungstruppen von Präsident Hissene Habre auch die letzte noch von Libyern besetzte Stadt im Norden des Landes zurückerobert. Es ist die Stadt Aouzou auf dem sogenannten Aouzou–Streifen südlich der Grenze zwischen dem Tschad und Libyen. Dieser Wüstenstreifen gilt als strategisch bedeutsam und weißt Uranvorkommen auf. „Damit sind alle libyschen Truppen aus dem Lande geworfen“, kommentierte der tschadische Informationsminister Hamidi den militärischen Sieg der Regierungsarmee. Über das Ausmaß der Kämpfe am Wochenende gab er jedoch keine genaueren Angaben. Immerhin sollen sich in der Region 15.000 libysche Soldaten befinden. Libyen hatte den Aouzou–Streifen 1973 unter Berufung auf die eigene koloniale Vergangenheit besetzt. In den dreißiger Jahren hatten die Kolonialmächte Frankreich und Italien das Gebiet dem heutigen Libyen zugesprochen, später fiel es dann an den Tschad. Weder in Tripolis noch in Paris gab es bisher Reaktionen auf den Erfolg Hissene Habres. Libyen hatte ein mögliches Eindringen feindlicher Truppen in den Aouzou–Streifen bisher immer als Kriegserklärung gegen das eigene Land gewertet. Entscheidend aber dürfte die Haltung Frankreichs für das Vorgehen Habres gewesen sein. Erst vor wenigen Wochen hatte Präsident Mitterrand Habre mit allem Prunk zum französischen Nationalfeiertag empfangen. Zwar sagte Mitterrand, daß er „die militärische Zurückeroberung des Aouzou–Streifens nicht ermutige“, doch ließen seine Aussagen die französische Position bei einer gegenteiligen Entscheidung Habres bewußt offen. Seit im November 1984 Friedensverhandlungen zwischen Mitterrand und Ghaddafi scheiterten, hat der französische Präsident stets eine militärische Lösung des Tschadkonflikts bevorzugt. Die Truppen Habres sind heute mit modernsten französischen Waffen ausgerüstet. Für Mitterrand dürfte die jetzige vollständige Niederlage Ghaddafis im Tschad, nachdem sich die libyschen Truppen bereits in diesem Frühjahr aus anderen Nordregionen des Landes zurückziehen mußten, einer späten Rache gleichkommen. Währenddessen blieb in NDjamena, der Hauptstadt des Tschad unklar, wie sich die Regierungstruppen im Aouzou–Streifen in Zukunft verhalten werden. Nördlich von der Stadt Aouzou liegt eine libysche Militärbasis praktisch auf der Grenze beider Länder. Ein Versuch, auch diese Basis einzunehmen, könnte den Tschad leicht aus der Rolle des Verteidigers in die Rolle des Angreifers auf libysches Staatsgebiet bringen. So warnte der tschadische Botschafter in Paris, Allan–Mi, bereits, daß „der Krieg mit Libyen noch nicht beendet sei“. „Der Krieg dauert an“, sagte Allan–Mi, „solange Tripolis sich weigert, die historischen Grenzen des Tschads von 1960 auzuerkennen.“ Damit ist angedeutet, daß einen politische Lösung des Konflikts nicht in Sicht ist.