Salmonellen - Eine Hungener Altlast

■ Firma Moha für Salmonellen–Skandal verantwortlich / Erkrankungen „wissentlich und vorsätzlich“ in Kauf genommen

Aus Frankfurt Heide Platen

Die Hungener Firma Moha hat dieser Tage nicht nur Schwierigkeiten, das ihr von der Bundesregierung angediente verstrahlte Molkepulver zu entsorgen. Sie muß sich auch mit ihren eigenen Altlasten auseinandersetzen. Das Hessische Landeskriminalamt (LKA) ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Moha–Führungsspitze verantwortlich ist für den Salmonellen–Skandal vom Spätsommer 1986. Damals waren zahlreiche Säuglinge schwer erkrankt, weil sie mit strahlenfreier Trockenmilch gefüttert worden waren. Das Pulver, das von der Moha an die Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung (BALM) abgegeben worden war, war hochgradig salmonellenverseucht. Der Frankfurter Rechtsanwalt Christoph Kremer, der mehrere Kinder und Erwachsene vertritt, die lebensgefährdend an „Salmonella infantis“ erkrankt waren, bezieht sich in einer gestern vorgelegten Presseerklärung auf den Abschlußbericht der Ermittlungen des Landeskriminalamtes. Danach wurden die Bakterien schon 1981 werksintern festgestellt. Untersucht wurde das Pulver, das in großen Mengen zum Beispiel an Schokoladenfabriken abgegeben wurde, allerdings erst 1984. Der Direktor des bakteriologischen Instituts der Süddeutschen Versuchs– und Forschungsanstalt in Weihenstephan, Prof. Dr. Martin Busse, nannte bei seiner Vernehmung Zahlen. Er berichtete der Polizei, er habe innerhalb von zwei Jahren 234 Proben untersucht. In 82 davon habe er die Bakterien gefunden. Er habe dies der Produktionsleitung in Hungen und teils auch der Firmenleitung in Frankfurt–Sossenheim immer wieder mitgeteilt. Ein Sachverständiger desselben Instituts sei beauftragt gewesen, den Ursachen der Verseuchung auf die Spur zu kommen. Er konnte keine einzelne Infektionsquelle ausmachen und stellte fest, die Firma an sich sei das Übel. Jahrelange Vernachlässigung aller hygienischen technischen Voraussetzungen für die Produktion seien schuld am Bakterienbefall. Allein im Zeitraum von Januar bis September 1985 verkaufte die Moha 16.410 Tonnen Milchpulver an die BALM. Ein von der Staatsanwaltschaft beauftragter Experte fand bei Strichproben keine Salmonellen, was wegen der gewählten Kontrollmethode jedoch auch „nahezu ausgeschlossen“ werden konnte. Fazit des LKA: Die Moha hat Erkrankungen „jahrelang, wissend und vorsätzlich, in Kauf genommen“. Sie ist damit nach Meinung Rechtsanwalt Kremers auch rechtlich von der Entsorgung des radioaktiven Molke–Pulvers ausgeschlossen. Die Strahlenschutzverordnung verlangt den Nachweis der Zuverlässigkeit des Betreibers. Wenn das Bundesumweltministerium, so Kremer, deren Anwendung nicht für notwendig halte, erspare es der Moha eine Zuverlässigkeitsprüfung.