Q U E R S P A L T E Mussolini was here

■ Ein Strafgesetz fürs Sommerloch

Wieder mal hat Rocco zugeschlagen; nicht der mit den Brüdern, sondern der vom „Duce“, Alfredo mit Vornamen und dereinst Justizminister im Faschistenstaat. So zählebig ist sein Strafgesetzbuch, „codice Rocco“ genannt, daß es selbst heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach seiner Ausarbeitung, noch die wunderlichsten Blüten treibt. Die Verhaftung der 16 Südtiroler Freistaats–Träumer wegen „antiitalienischer Umtriebe im Ausland“ hat Sozialisten, Kommunisten, Grüne, Christdemokraten, Volksparteiler im Kampf gegen einen faschistischen Paragraphen geeint und den Italienern wieder mal klargemacht, wes Geistes Kind ihr Strafgesetzbuch ist. Sommerloch, du segenreiches, eifrig sind nun die Stallwächter aller Fraktionen - Neofaschisten exklusive - aufgesprungen, um nachdrücklich eine Gesamtrevision des Strafwerkes zu fordern. Ach, hätten wir das nicht schon so oft gehabt - etwa als in den siebziger Jahren Linke zu Hunderten wegen „Aufruhrs gegen die Staatsgewalt“, ebenfalls ein Mussolini–Relikt, angeklagt wurden. Auch damals schien die Menschenrechtskämpfer hoffnungsvoll auf. Geschehen ist nichts. So wird denn auch diesmal wohl ein gnädiger Herbst die sommerlichen Hoffnungsschreie wackerer Demokraten nach einer Strafrechtsreform zudecken. Auch wenn derzeit ein ehemaliger Partisan und Mussolini–Geschädigter Justizminister ist. P.S.: So manchem Strafrechtler, auch von der progressiven Seite, ist übrigen der „Codice Rocco“ noch immer lieber als manches „demokratische“ Gesetz. Nach Rocco z.B. dürfte ein Verdächtiger maximal drei Jahre ohne Urteil in U–Haft sitzen. Die Demokraten haben diese Zeit während der siebziger Jahre auf volle elf Jahre verlängert. Werner Raith