Peugeot startet Großangriff auf Volkswagen und Fiat

■ Im französischen Sochaux soll das modernste Automobilwerk Europas entstehen / Um neue Arbeitsplätze zu ergattern, läßt sich eine ganze Region umkrempeln

Sochaux (afp/taz) - Mit einem Investitionsaufwand von sieben Milliarden Francs (2,1 Milliarden Mark) startet der französische Automobilkonzern PSA, dem Peugeot, Citroen und die europäischen Chrysler–Töchter angehören, einen Großangriff, mit dem er Nummer Eins in Europa werden will - vor den derzeitigen Branchenführern Volkswagen und Fiat. Mit dieser Summe soll aus dem 1912 gegründeten Hauptwerk Peugeot–Sochaux (Departement Doubs) die modernste Automobilfabrik des Kontinents gemacht werden. Von den geplanten Neuerungen werden die gesamte Industriestruktur der Region Montbeliard sowie das tägliche Leben seiner Bewohner erfaßt. Das ehrgeizige Programm von PSA–Chef Jacques Calvet ist ein Signal dafür, daß es Peugeot wieder besser geht. Vor einigen Jahren wollte niemand mehr viel auf den Löwen verwetten, der sein Markenzeichen ist. Die geplanten Investitionen, von denen die Hälfte bereits in diesem Jahr verplant ist, gehen weit über die Zugeständnisse hinaus, die man den Werken Mülhausen (für den 205), Aulnay (für den Citroen AX) und Possy (für den 309) gemacht hat. Erste Etappe der radikalen Transformierung ist die Umleitung des Flusses Allan, durch die bis zum nächsten Jahr neues Bau land frei wird, auf dem 120.000 Quadratmeter Werkhallen entstehen werden. Ein Grundpfeiler des neuen Konzepts ist die Robotisierung. Für die Herstellung des Peugeot 405 sind allein bei den Blecharbeiten 102 Roboter eingesetzt. Auch die Karosserieschneiderei und die Mechanik sollen automatisiert werden. Mit der teilweise 100 konnte Peugeot von seinem Modell 405 vom ersten Tag an zehn verschiedene Ausführungen anbieten - „eine europäische Premiere“, wie man in dem Unternehmen stolz vermerkt. Ein ganz entscheidendes Element der neuen Ära in Sochaux betrifft jedoch die menschlichen Arbeitskräfte: PSA setzt auf massive Berufsfortbildung. Eine Mil liarde Francs (300 Millionen Mark) und 640.000 Arbeitsstunden - 3,4 wurden bereits 1986 in die Schulung gesteckt, in den neunziger Jahren soll der Anteil nach Wunsch der Direktoren auf vier Prozent wachsen. Der Einsatz der Betriebsleitung auf diesem Gebiet sei vor allem in finanzieller Hinsicht so groß, daß die Angestellten ihrerseits einen Teil ihrer Freizeit opfern müßten, forderte PSA– Sprecher Gilles Daget. „Unser Ziel in Sochaux ist, daß jeder Arbeiter das Abitur hat“, fügt Personalchef Jean–Marie Francois hinzu. Um das zu erreichen, will Peugeot seine ausländischen Arbeiter loswerden. Mehr als 2.700 (über elf Prozent) der Gastarbeiter haben die Firma bereits 1985 im Rahmen von Rückführungsprogrammen mehr oder weniger freiwillig verlassen. Seit Oktober 1979 gingen im Großraum Montbeliard wegen der Schwierigkeiten, in die das auf 25.000 Angestellte gesunkene Unternehmen geraten war, 22.000 Arbeitsplätze verloren. Mit dem gewaltigen Investitionsplan und den ersten Neueinstellungen bei Peugeot schöpfen die Gemeinden wieder Hoffnung. Doch der Arbeitgeber verlangt viel, auch von seinen rund tausend Zulieferfirmen, die ihrerseits ihre Produktionsmethoden radikal umstellen müssen. Manche, die bisher nur ein einziges Teil herstellen, sollen mehrere Produkte anbieten, und bei der Lieferung dringt der Automobilkonzern auf zeitgerechten Nachschub für die neuen Bänder. Doch damit nicht genug: Die Gemeinden im Einzugsbereich des künftigen Super–Werks, die praktisch „durch und für Peugeot“ leben, müssen den leitenden Angestellten und Technikern neue Wohnungen anbieten, die mit den bestehenden Sozialbehausungen nichts gemein haben. Mit dem Abriß des Heeres schäbiger und teilweise bereits verwaister Mietskasernen wurde bereits begonnen. Im Kielwasser von Peugeot, das sich im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt 1992 einen Löwenanteil sichern will, versucht auch der Distrikt Montbeliard den Aufstieg aus der Talsohle. Er leidet, wie der Vorstandsvorsitzende Guy Beche erklärt, unter dem schlechten Ruf, ein veraltetes Industriegebiet zu sein, „mit schlecht verdauter Entvölkerung, negativem Image und der Weigerung, Probleme anzupacken“. Der Distrikt ist Teilhaber einer Gesellschaft, die mit einem Dienstleistungsnetz für kleine und mittlere Unternehmen neue Investoren anlocken will - mindestens sieben pro Jahr, ist das Ziel. Der Ballungsraum Montbeliard mit seinen 130.000 Einwohnern schließlich will sich mit den Neuerungen auch seinen Problemen stellen: „Wir haben 10.000 Arbeitslose, deren Qualifikation für die neuen Unternehmen nicht ausreicht“, konstatiert Bernard Buchholzer vom Bezirksverband. Der Umbau bei Peugeot sei eine Herausforderung an eine ganze Region. geo