Belegschaft besetzt Spänex–Werk

■ Die 170 Werksangehörigen wollen den Verkauf des Maschinenparks verhindern / Vorwurf des Mißmanagement / Mit rund 20 Millionen Mark Schulden Konkurs eröffnet / IG Metall: „Besetzung legitimes Mittel der Gegenwehr“

Von Wolfgang Schäfer

Uslar (taz) - Die frisch mit beiger Farbe gestrichene Fabrik liegt wie eine Festung auf einem Hügel am Rande des Städtchens Uslar. Weithin sichtbar weht auf dem Flachbau eine schwarze Fahne. Auf einem Transparent steht: „Der Betrieb ist besetzt“. An dem hohen Drahtzaun, der das Werksgelände sichert, hängt mindestens ein Dutzend bunt bemalter Spruchbänder: „Wilhelm macht Spänex tot, dann sind wir alle ohne Brot“ und „Rettet unsere Arbeitsplätze“. Seit Freitag letzter Woche hält die Belegschaft der in Uslar im Solling ansässigen Firma „Spänex - Wilhelm & Sander“ ihren Betrieb besetzt. Die etwa 170 Arbeiter und Angestellten befürchten einen Verkauf der Maschinen und fordern die Weiterführung des Betriebes. Die Firma gibt es seit rund 25 Jahren. Ursprünglich stellte das Unternehmen Spänex–Sander ausschließlich Filteranlagen für kleine Tischlereien her. In den 60er und 70er Jahren mauserte sich die Werkstatt zu einem Industriebetrieb mit bis zu 250 Beschäftigten und erweiterte die Produktionspalette um Brikettierungspressen für Abfallstoffe, Strohverbrennungsanlagen, Ventilatoren und Filteranlagen, die in kleinen Serien hergestellt wurden. Trotz einer relativ guten Auftragslage ging Spänex 1983 das erste Mal in Konkurs, da die Geschäftsleitung unfähig war, eine reibungslose Abwicklung der Produktion zu gewährleisten. Nach der Pleite stieg der frühere ITT–Manager Richard P. Wilhelm bei Spänex ein. Unter der Leitung des cholerischen Mittvierzigers sank das Betriebsklima - nach den Worten eines Betriebsrates - „bald unter alle Sau“. Löhne und Gehälter wurden in den letzten Jahren nie pünktlich ausgezahlt, und der Betriebsrat mußte sich immer wieder auf die Hinterbeine stellen, um minimale Mitbestimmungsrechte einzufordern. Obwohl Wilhelm mithilfe von Millionensubventionen der öffentlichen Hand neue Werkshallen bezog, blieben die Produktionsschwierigkeiten. Mit rund 20 Millionen Mark Schulden legte Wilhelm schließlich einen satten Konkurs hin und zog sich in seine luxuriöse Villa zurück. Die Besetzung erfolgte spontan nach der Eröffnung des Konkurses und wird von der gesamten Belegschaft getragen, die rund um die Uhr das Werk bewacht. Arbeitskampferfahrungen besitzen die Spänex–Beschäftigten nicht. Nur jeder zweite von ihnen ist in der IG Metall organisiert. Heinz Herbold, stellvertretender Betriebsrats–Vorsitzender: „Wir waren überrascht, wie gut alle mitzogen. Hier im Raum Uslar gibt es in jeder Familie Arbeitslose. Wir wissen, daß nach Konkurseröffnung die Maschinen abtransportiert werden und daß damit unsere Arbeitsplätze weg wären.“ Am Montag herrschte bei den Besetzern im Betrieb heitere Stimmung. Einige Arbeiter malen Transparente, die bei einer Fahrt zum niedersächsischen Wirtschaftsministerium am nächsten Tag mitgeführt werden sollen. Zwei Frauen bekleben eine große Stellwand, die die Entwicklung des Unternehmens dokumentiert. Auf dem weitläufigen Firmengelände unterhalten sich Belegschaftsangehörige mit Verwandten und Freunden. Zahlreiche Kinder toben umher. Vorerst wird die Besetzung vom Konkursverwalter toleriert. Aber die Spänex–Beschäftigten, in ihrer Mehrzahl qualifizierte Facharbeiter, wissen, daß in den nächsten Tagen die ersten Gläubiger vorfahren können, um Maschinen und Rohstoffe abzuholen. Auf diesen Tag ist man vorberei tet. Heinz Priesing, ein bedächtiger Schlosser, der dem Betriebsrat vorsitzt, zur taz: „Hier geht nichts raus, kein Blech, keine Schraube, keine Maschine. Wir haben uns auf eine längere Besetzung eingestellt. Die Unterstützung in der Bevölkerung gibt uns recht.“ Der Betriebsrat hofft, daß sich in absehbarer Zeit ein Käufer für die Firma finden wird, die von ihrer Auftragslage her gesund sei. Er fordert staatliche Zuschüsse, um möglichst bald die Produktion wieder aufnehmen zu können. Die IG Metall–Verwaltungsstelle Göttingen berät die Besetzer. IGM–Sekretär Gerd–Uwe Boguslawski: „Wir halten die Besetzung für ein legitimes Mittel der Gegenwehr gegen die drohende Arbeitsplatzvernichtung. Da, wo wir helfen können, bieten wir unsere Hilfe an.“ Die Betriebsbesetzung findet in der stark von Arbeitslosigkeit gebeutelten Region, in der gegenwärtig jeder dritte Arbeitnehmer einen Job sucht, breite Unterstützung. So spendierte die Sollinger Bergbrauerei 15 Kästen Bier, eine Bäckerei brachte am Wochenende Kaffee und Kuchen vorbei und ein Supermarkt Lebensmittel. Auch die Vertreter der politischen Parteien bekunden Sympathie. Für eine von der IG Metall organisierten Solidaritätsfete haben sich Sprecher von SPD, CDU, FDP und den Grünen angesagt.