Kurzsichtig

■ Zur Streikbrecherarbeit bei VW in Kassel

Für die Zusicherung, daß der Schwerpunkt der Teilefertigung für Hilfsrahmen nicht wie geplant nach Mexiko verlagert wird, hat sich der Kasseler VW–Betriebsrat seine Zustimmung abkaufen lassen, den mexikanischen Kollegen durch Streikbrecherarbeit in den Rücken zu fallen. Ist dieser Kuhhandel nur als unsolidarisch oder aus der eigenen Interessenlage heraus letztlich als verständlich zu bewerten? Die Art, wie der VW–Betriebsrat meint, die Arbeitsplätze der Belegschaft für die Zukunft absichern zu können, kann nur als naiv bezeichnet werden. Es ist ja nicht mehr so sehr das Damokles–Schwert der Verlagerung ganzer Produktionen, das internationale Konzerne gegen aufmüpfige Beschäftigte schwingen. Sie gehen mittlerweile dazu über, die Produktionen nicht alternativ über den Globus zu verteilen, sondern die Produktionsprozesse parallel zu organisieren. Das erlaubt dem Konzernmanagement, je nach Arbeitsmarktlage und Konfliktsituation, mal Teil A im Land X und Teil B im Land Y fertigen zu lassen, oder eben umgekehrt. Daß VW auch in Mexiko eine Fertigung für Hilfsrahmen hochzieht, konnten die VW–Betriebsräte in Kassel schon in der Vergangenheit nicht verhindern. Beim nächsten Arbeitskampf in Wolfsburg oder Kassel können dann die Arbeiter in Mexiko genauso gnadenlos gegen ihre deutschen Kollegen ausgespielt werden, wie es jetzt umgekehrt gehandhabt wird. Die bundesdeutschen Gewerkschaften und mit ihnen die betroffenen Betriebsräte verheizen die Zukunft der von ihnen vertretenen Beschäftigten, wenn sie nur darauf schielen, was aus der augenblicklichen Situation herauszuschlagen ist. Einer international koordinierten Konzernstrategie, die weltweit verteilte Arbeitskraft im Preis zu drücken, können nur international organisierte Abwehrmaßnahmen entgegengesetzt werden, nicht auf der Basis von abstrakter Solidarität, sondern aus einem Begreifen der gemeinsamen Betroffenheit heraus. Imma Harms