Widerstandstag in der Wilstermarsch

■ Gestern wurde das Urteil im ersten Prozeß gegen AKW–Gegner gesprochen, die Schrauben an Strommästen gelockert hatten / Nötigungsvorwurf fallengelassen / Wegen Sachbeschädigung zu 40 Tagessätzen verurteilt

Von Dieter Hanisch

Itzehoe/Brokdorf (taz) - Der erste Prozeß gegen zwei Mitglieder der Aktionsgruppe Steinburg vor dem Itzehoer Amtsgericht wegen des Lösens von Schrauben an Strommasten wurde gestern zu einem Widerstandstag in der Wilstermarsch umfunktioniert. Während die beiden Angeklagten Jens Mecklenburg und Donald Friedrichs den Gerichtssaal in einer Verhandlungspause verließen, nachdem sie dort zuvor eine Prozeßerklärung verlesen hatten, wurde der Prozeß von Richter Penzlin weitergeführt. Die Angeklagten sahen sich durch ihre Anwälte gut genug vertreten und zogen es vor, mit 60 anderen AKW– Gegnern in der Itzehoer Fußgängerzone eine sogenannte Schraubensammelstelle einzurichten. Dabei nahm die Polizei einen Demonstranten fest, der sich mit einer Mastquerstrebe zeigte. Als nächstes machte sich ein Autokonvoi von Itzehoe in Richtung Brokdorf auf den Weg, um unterwegs vier Strommasten zu besetzen und mit Transparenten zu schmücken. Die Besetzung zog sich über zwei Stunden lang hin. Um punkt 14 Uhr verteilten sich die AKW–Gegner in der gesamten Marsch rund um das Atomkraftwerk Brokdorf und schlugen mit Werkzeug auf Strommäste ein. Einige Aktivisten setzten ihr Werkzeug auch wieder zum Schrauben ein. Die Polizei beschränkte sich anfangs darauf, die Aktion zu beobachten und zu fotografieren, forderte aber Verstär kung aus ganz Schleswig–Holstein an. An zahlreichen Straßenecken rund um das Atomkraftwerk Brokdorf standen Zivilfahrzeuge der Polizei. Zum Ende der Aktion gab es Pkw–Durchsuchungen und drei Festnahmen sowie die Beschlagnahmung von Schrauben und Querverstrebungen. Der von der Aktionsgruppe Steinburg auserkorene „Tag der Masten“ endete um 15 Uhr. Eine Stunde später wurde im Gerichtssaal das Urteil verkündet. Der Nötigungsvorwurf der Staatsanwaltschaft wurde ganz fallengelassen. Beide Angeklagte wurden ausschließlich wegen „gemeinschaftlicher Sachbeschädigung“ zu je 40 Tagessätzen a zehn Mark verurteilt.