Tabus geknackt

■ Über die Koalitionsverhandlungen in Hamburg

Joschka Fischer sollte Ingo von Münch mal zum Essen einladen. Nicht nur, um den Senkrechtstarter der Hamburger Landespolitik als netten Menschen, der er ist, kennenzulernen. Nein, der dortige FDP–Chef könnte dem hessischen Realo ein paar Tips geben, wie man mit Sozialdemokraten Koalitionsgespräche führt und - seien sie noch so zäh, langwierig und aufreibend - mit Erfolg beendet. Ingo von Münch hat den hanseatisch–arroganten Klaus von Dohnanyi kleingekriegt: Soviel läßt sich nach drei Monate andauernden Marathonsitzungen sagen. Mit gerade sechseinhalb Prozent der Hamburger Wähler im Rücken gelang es ihm, eine Serie von sozialdemokratischen Tabus zu knacken - gerade auf den Feldern, auf die besonders Gewerkschaften großen Wert legen. Der Regierende Bürgermeister mag die angekündigten Proteste von DAG und HBV gegen die vereinbarte Aufweichung des Ladenschlußgesetzes noch locker wegstecken. Doch der gesamtgewerkschaftliche Groll auf die Einschränkung von Mitbestimmungsrechten im Öffentlichen Dienst und auf die Privatisierung von staatlichen Betrieben dürfte die Hamburger SPD in eine wahre Zerreißprobe treiben. Noch hält der DGB still. Seine Funktionäre wollen nach mehr als hundert Stunden Koalitionsverhandlungen erst einmal schriftliche Ergebnisse sehen und sich, sofern sie in der SPD organisiert sind, auf den nächsten Landesparteitag vorbereiten. Dort erwartet Klaus von Dohnanyi dann ein heißer Tanz. Denn gegen den DGB, das erkannte selbst CDU–Oppositionsführer Perschau, läßt sich in Hamburg nicht regieren. Axel Kintzinger