Die Antwort der Platzhirsche

■ Bundesrepublik Deutschland - Frankreich 2:1 / Flottem Beginn folgt Normalität / Zwei Völler–Tore

Berlin (taz) - Immer wenn in der Politik neue Wortschöpfungen auftauchen, gilt es irgend ein Problem zu kaschieren; davon darf man getrost ausgehen. Die Fußball–Sprache dagegen ist viel weniger kreativ. Da überrascht es doch, wenn Franz Beckenbauer plötzlich von „artverwandten Positionen“ spricht. Gemeint sind die Tätigkeitsfelder Sturm und offensives Mittelfeld, des Teamchefs Adressat ist der Mönchengladbacher Helmut Rahn. Der hat, keck gemacht durch seine Torerfolge, Eindhovens Acht–Millionen–Angebot und jüngst die Wahl zum „Fußballer des Jahres“ durch die Sportjournalisten, Ansprüche geltend gemacht: Eure Hoheit, Kaiser Franz, ganz vorn zu kicken ist mein Begehr. Doch eine Mannschaft ist ein hierarchisches Gebilde, mit Platzhirschen, Domestiken und Novizen. Und in Beckenbauers Team ist vorne das Reservat von Völler und Allofs. Das galt es, Uwe Rahn klarzumachen. Im Vorfeld des Freundschaftsspieles gegen Frankreich war dies Beckenbauers Aufgabe. Der bot dem Gladbacher, der für sich selbst nur die Alternative „Stürmer oder Ersatzbank“ fand, die „artverwandte Position“ des von Abwehrpflichten befreiten Mittelfeldspielers, beschied ansonsten, er könne derzeit jeden Posten doppelt besetzen. Das wirkte, Rahn fügte sich. Dessen Herausforderung konterten die Platzhirsche auf dem Rasen durchaus gekonnt: Völler machte fix zwei Tore, Allofs spielte wie aufgedreht. Passierte etwas Gescheites, war er dabei. Seine Aktionen gerieten zur Lehrstunde in Sachen „hängende Spitze“ für den Gladbacher, der zumeist lediglich herumhing - bindungslos und vernachlässigt. Und so kam es, daß nach dem Spiel Franz Beckenbauer - ansonsten kurz angebunden - beim Thema Rahn richtig ins Plaudern kam. Schwer sei es für den Uwe bei den engen Räumen, der müsse mit Anlauf kommen, und nach Völlers Abgang habe er auf seiner Wunschposition spüren können, wie international der Wind wehe. Doch, Uwe Rahn gehöre weiter zum Stamm. Lag da nicht ein zufriedenes Lächeln um Beckenbauers Mund? Dies könnte natürlich auch von der Erinnerung an die ersten zwanzig Spielminuten kommen. Schon kurz nach Anpfiff schnappte sich Völler einen Fehlpaß, rannte an allen Blauhemden vorbei und kullerte Bats den Ball durch die Beine. Irritiert durch diesen Start sowie das frühe Stören der Deutschen gerieten die Franzosen mächtig unter Druck. Nach neun Minuten war Völler nach Allofs–Ecke schneller als Le Roux, Kopfball zum 2:0. Es war erstaunlich, wieviele Chancen gegen den defensiven Gegner erspielt wurden. Der Rest der Partie war Normalität. Die Abwehr Kohler–Buchwald–Pflügler ist die Nachfolge des Trios Jakobs–Augenthaler– Förster mit anderen Namen: technisch unbedarft. Davor spielte Herget das gewohnt hängende Trikot, eingerahmt vom „Bayern– Block“. In dem zeigte Debütant Dorfner, warum ihn viele in München über Matthäus stellen, der seinem vollmundigen Selbstbewußtsein (“Overath und Netzer haben zwei–drei Spiele entschieden. Das hab ich auch schon“) die gewohnt bescheidene Tat folgen ließ. Und ganz hinten stand, zur Nr.1 befördert durch die Schreib– und Schlagkraft seiner Vorgänger, Eike Immel. Der brauchte den Freibrief des Trainers - „Er wird auch im Tor bleiben, wenn er mal Fehler macht“ - nicht in Anspruch nehmen. Thömmes BRD: Immel - Herget - Kohler, Buchwald (69.Rolff) - Brehme (66.Reuter), Matthäus, Rahn, Dorfner, Pflügler - Völler (69.Littbarski), Allofs FRANKREICH: Bats (84.Martini) - Battiston - Le Roux, Amoros, Ayache - Fernandez, Passi, Poullain, Toure - Canona, Papin (55.Buscher) TORE: 1:0 (3.Min.), 2:0 (9.Min.) durch Völler, 2:1 Cantona (42.) ZUSCHAUER: 31.217 (lags an der Müdigkeit, schon wieder 750sten Geburtstag zu feiern, oder am Alkoholverbot im Stadion, mit dem die EM generalgeprobt wurde?)