Die Iran–Contra–Affäre schwelt weiter

■ Auch wenn Reagan freimütig Fehler eingesteht, die Hintergründe sind längst nicht öffentlich

Washington (taz) - Gute Nachrichten aus Washington: „Olliemania“ ist im Abklingen. Noch baumeln die Ollie–T–Shirts in den Boutiquen Washingtons, noch ist die Taschenbuchausgabe mit der Aussage des Oberstleutnants ganz vorn auf den Büchertischen zu finden, aber die populären Wochenmagazine, sichere Indikatoren des Masseninteresses, haben sich bereits dem zehnten Todestags Elvis Presleys zugewandt. In den Abendnachrichten geht es nicht mehr um Waffen für den Iran, sondern um Zunder für die Ayatollahs, weil diese den freien Schiffsverkehr im Persischen Golf sabotieren und die Supertechnologie der amerikanische Militärmaschine mit Minen aus dem Ersten Weltkrieg zum Halt gebracht haben. Die amerikanische Öffentlichkeit habe ein Erinnerungsvermögen von nur einer Minute, hat der südafrikanische Bischof Tutu geklagt; recht hat er, und so droht der „Irangate“–Skandal bereits aus dem Gedächtnis zu driften, obwohl das dicke Ende für einige der Hauptakteure noch nachkommen wird. Seit acht Monaten sitzt Sonderankläger Lawrence Walsh und sein hundertköpfiger Stab in ihrer hermetisch verbarrikadierten Büroetage, sichten Dokumente, verhören Zeugen und bereiten eine Anklage vor. Keinen Hinweis gibt es bisher, wann der als integrer und penibler Jurist bekannte Walsh seine Aufgabe beendet hat, deutlich ist bisher nur, daß er sich politischem Druck aus dem Weißen Haus beharrlich widersetzt. Viele der politischen Fragen, die die Anhörung des Untersuchungsausschusses offen gelassen hat, wird auch Walsh nicht beantworten können; sein Interesse ist strikt auf strafbares Handeln beschränkt. Für ihn besteht die „Irangate“–Affaire aus einer Kette von Gesetzesbrüchen - Steuerhinterziehung, Vertuschung, Verletzung des „Boland– Amendments“ und des „Neutrality Acts“, durch die zum einen der Administration sowie zum anderen privaten US–Bürgern die Beteiligung am Contra–Krieg verwehrt waren - die insgesamt den Straftatbestand der „Verschwö rung zur Übervorteilung des Staates“ ergeben. Walsh ist freilich nicht der einzige, der aus den mehr als 250 Stunden Zeugenaussagen und Tausenden von Dokumenten eine schlüssige Theorie über die Hintergründe der Geschehnisse zu formulieren versucht. Zu reizvoll ist die Vorstellung, daß hinter der Affaire mehr steckt als ein forscher Oberstleutnant, ein verschlagener Sicherheitsberater, ein diabolischer Geheimdienstchef und ein schauspielender Präsident. Zu bizarr sind die Persönlichkeiten im zweiten Glied: CIA– Veteranen aus Südostasien, exilkubanische Folterknechte, antikommunistische Waffendealer und mittelöstliche Geldhaie. Zu offensichtlich ist auch, daß der Untersuchungsausschuß, politisch ohnehin zerstritten, sich sehr enge Grenzen gesetzt hat. So wundert sich die linksliberale Wochenzeitung The Nation, warum North in den 34 Stunden seiner Vernehmung nie nach einem von ihm entworfenen Organisationsschema gefragt wurde, das man in seinem Safe fand. Neben den Briefkastenfirmen seines Irangate–Kollegen Richard Secord fanden sich darauf noch andere Orga nisationen, deren Identität und Funktion nie aufgeklärt worden ist. The Nation vermutet, daß es sich dabei um einen zweiten Kanal für private Hilfsgelder aus den USA an die Contra handelt. Die weitreichendste Theorie über die historischen Wurzeln des Skandals haben bisher die Anwälte des „Christic Institutes“ geliefert, eines von der Kirche unterstützten Anwaltskollektivs in Washington. Ihnen zufolge liegen die Anfänge der Affaire in den sechziger Jahren, als Mitarbeiter der CIA in Laos sowie in Kuba die Grundlage für eine kriminelle Vereinigung schufen, die später in Vietnam, im Iran und schließlich in Zentralamerika aktiv wurde. Waffenschiebereien und Drogengeschäfte begleiteten die Karrieren dieser Leute, unter ihnen, so das „Christic Institute“, die Iran gate–Beteiligten Richard Secord, John Singlaub, Albert Hakim, Thomas Clines und Theodore Shackley (siehe taz vom 15.7. 87). Deren Namen tauchten im mer da auf, wo die Außenpolitik der USA zu militärischen Geheimabenteuern entartete - in der kubanischen Schweinebucht, beim Phoenix–Programm in Vietnam, in der Ära Allende in Chile, im Teheran des Schahs und schließlich in Mittelamerika, wo zuerst Nicaraguas Diktator Somoza und später die Contras mit Waffen versorgt wurden. In den letzten Wochen ist noch eine weitere Theorie entwickelt worden, die den Ursprung der Irangate–Affaire im Präsidentschaftswahlkampf von 1980 sieht. Die Reagan–Mannschaft fürchtete in den Wochen vor dem Wahlgang nichts mehr als die Freilassung der 52 Geiseln, die damals seit einem Jahr in der Botschaft der Vereinigten Staaten in Teheran festsaßen und um deren Freiheit sich die Carter–Administration bemühte. Ein Team wurde gegründet, das eine „Oktober– Überraschung“ verhindern sollte. Zu ihm gehörte der spätere CIA–Chef Casey, der spätere Sicherheitsberater McFarlane sowie dessen Vorgänger Richard Allen. Die Vermutung geht um, daß Reagans Leute damals einen Deal mit dem Iran eingingen, der den Ayatollahs Waffen und Reagan den Wahlsieg bringen sollte, so Bani–Sadr, „So kam alles zum Halt“, meinte Irans Ex–Präsident Bani Sadr, „meine Leute fanden heraus, daß es dafür einen Grund gab - die für die Geiseln verantwortliche Gruppe im Iran wollte nicht, daß Carter die Wahl gewinnt.“ Ob es tatsächlich einen Deal gegeben hat, ist bisher nicht erwiesen, Tatsache ist jedoch, daß Reagan die Wahlen gewann und daß seit der ersten Hälfte 1981 Waffen aus Israel an den Iran geliefert wurden. Eine Maschine voller Panzer–Ersatzteile und Munition aus amerikanischer Produktion ist dabei im Juli 1981 über der Türkei abgestürzt. Stefan Schaaf