Ausgewogen

■ Zum Kohl–Besuch bei Waldheim

Es war ja zu erwarten und vielleicht löst es auch hier Diskussionen aus, daß sich Kohl als erster westeuropäischer Regierungschef jetzt mit Waldheim getroffen hat. Mir zumindest war die ganze Waldheim–Affaire bisher sowieso viel zu sehr „nur“ österreichische Angelegenheit. Immerhin geht es um Kriegsverbrechen der Deutschen Wehrmacht. Ich wage sogar zu bezweifeln, ob Waldheim, wäre er Deutscher, nicht genauso zum Bundespräsidenten avanciert wäre. Denn Waldheims gab es und gibt es viele in der Bundesrepublik - aber gerichtlich belangt, öffentlich mit Makel belegt wurden von ihnen die wenigsten. Wer hat sich denn zum Beispiel schon einmal die Mühe gemacht, die Vorgesetzten dieses Abwehroffiziers der Heeresgruppe E in Saloniki aufzuspüren? Obwohl sie die Deportation der Juden von den griechischen Inseln nach Auschwitz organisierten und abwickelten, sind diese Vorgesetzten mit Ausnahme eines Generals nie zur Rechenschaft gezogen worden. Sie leben hier weiter unbehelligt und als muntere Rentner, die auch noch Waldheims Unschuld mit schriftlichen Erklärungen beteuern dürfen. Na klar doch, die Wehrmacht hält zusammen. Das Treffen Kohl–Waldheim, auch wenn es fast heimlich und unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, konterkariert in diesen Tagen darüber hinaus - fast wie auf Bestellung - das Bild der Blüm–Geißlerschen „linken“ CDU. Oder besser noch, es paßt zum Sowohl–als–auch–Kanzler und seinem schizoiden Kegelclub. Blüm in Chile, Kohl bei Waldheim - da ist doch die Ausgewogenheit wieder hergestellt. Max Thomas Mehr