Rechtsaußen in der Offensive

■ Rechtsextreme Parteien sind beherrschendes Thema im Bremer Wahlkampf / von Dirk Asendorpf

Im Wahlkampf für die Bremer Bürgerschaftswahl sind sich CDU, SPD, FDP und Grüne nur bei einem Thema einig: das Vorgehen gegen Ausländerfeindlichkeit und Neofaschismus. Die Kandidatur von drei rechtsextremen Parteien bietet ihnen im eher schlappen Wahlkampf genügend Anlaß. DVU, FAP und die Republikaner forcieren in bislang beispielloser Weise ihr Werben um die gut 20 Prozent unentschlossenen Wähler in einer der letzten SPD–Bastionen der Republik.

„Deutsche wählen deutsch“ - schwarz–rot–golden unterlegt prangt in Bremen diese Parole an Hunderten von Litfaßsäulen, Stelltafeln und Werbewänden. Die Post hat bislang ein Dutzend Wurfsendungen an alle Bremer Haushalte verteilt, über der Stadt dreht ein Flugzeug seine Runden, im Schlepptau der Name des Urhebers all der nationalistischen Propaganda: „DVU - Liste D“. Der Wahlkampf für die Bremer Bürgerschaftswahl am 13. September hat bisher nur ein Thema: Kandidatur und Aktivitäten dreier Parteien rechts der CDU. Neben der DVU, einem Zusammenschluß des Nationalzeitungs–Herausgebers Gerhard Frey mit der NPD, kandidieren auch die von Michael Kühnen gegründete offen neo–nazistische FAP und die CSU– Abspaltung „Republikaner“, die im Bremer Landesparlament bereits durch drei Überläufer der CDU– Fraktion vertreten ist. Doch weder die nächtlichen Überfälle der FAP auf ausländische BremerInnen noch die Unterstützung vor Ort durch den bayerischen Vorsitzenden der „Republikaner“, Franz Schönhuber, finden große öffentliche Aufmerksamkeit. Thema und Ziel von Gegenaktionen war bislang allein die Propagandaschlacht der DVU. Ihren Werbeetat von ca. zwei Mio.DM hat sie geschickt eingesetzt. Als ihre Stelltafeln zusehends unter „Nazis raus“–Aufklebern verschwanden, mieteten sie die obersten Plätze an den Litfaßsäulen, die Plakate werden inzwischen kaum noch überklebt. Als der Senat gegen die Verwendung des Bremer Stadtwappens auf den Wurfsendungen der DVU klagen wollte, ersetzten sie das Emblem flink durch einen anderen Aufdruck. Als die Bremer Tageszeitungen eine nach der anderen auf einen Boykott der DVU–Anzeigen einschwenkten, schalteten sie in Stadtteil– Anzeigenblättern und Programmheften. Und schließlich besorgten sie sich beim Landeswahlleiter die Adressen aller Jungwähler. „Liste D ist eine neue Partei, da gibt es keinen Filz“ und „Liste D ist eine deutsche Partei. Da zählen die Interessen des deutschen Volkes“, erfahren ErstwählerInnen in einem persönlichen Anschreiben. Mit einem „Gutschein“ kann der Aufnäher „Ich bin stolz, Deutscher zu sein“ bestellt werden. Gegenaktionen Als sich im März die erste Ladung DVU–Wurfsendungen in den Postämtern stapelte und die Postboten trotz einzelner Widerstände begannen, die ausländerfeindliche Propaganda in alle Briefschlitze zu schieben, war es Bürgermeister Wedemeier persönlich, der demonstrierte, wie Antifaschisten mit der ungebetenen Post umzugehen hätten: Vor Pressefotografen schrieb er „Annahme verweigert“ auf das Couvert und steckte es der Post in den gelben Kasten. Zwar wurde die symbolische Aktion vielfach nachgeahmt, doch der Adressat des Unmuts blieb bis heute anonym: Die DVU existiert in Bremen nur mit einem Postfach. Ende Juli unterschrieben dann in großer Koalition CDU, SPD, FDP, Grüne und die Kirchen auf Initiative des DGB und eines „Dachverbandes der Ausländerkulturvereine“ eine gemeinsame „Bremer Erklärung gegen Ausländerfeindlichkeit und Neofaschismus“. Konkrete Aktionen folgten danach jedoch ebenfalls nicht. Die blieben bislang kleineren Gruppen vorbehalten. Auch die Ausstrahlung kostenloser Werbung der DVU, FAP und Republikaner in Funk und Fernsehen konnte dadurch verhindert werden, daß sich die großen Parteien auf einen freiwilligen Werbeverzicht einigten. Da die Sendung von Wahlspots im neuen Radio–Bremen–Gesetz keine Muß–, sondern eine Kann– Vorschrift ist, hatte der Sender die Möglichkeit nach dem Verzicht der großen auch die kleinen Parteien von der Funkwerbung auszuschließen. Klagen der MLPD und der DVU gegen diese Entscheidung wurden vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen, denn nach dem Gesetz hat der Sender sich nur an den Gleichbehandlungsgrundsatz zu halten. Radio Bremen behandelt dadurch alle gleich, indem keine Partei werben darf. Die Grünen wollen für den Tag vor der Wahl zu einer Großdemonstration unter dem Motto „Gegen Neonazismus - für Freundschaft mit Ausländern“ aufrufen. Schließlich hat eine Initiative unter Federführung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in kurzer Zeit über 6.000 Unterschriften gegen die Wahlzulassung und für ein Verbot von FAP und DVU gesammelt. Öffentliche Kundgebungen von Neo–Nazis hat es im Bremer Wahlkampf zwar bislang kaum gegeben. Doch die Stärke vor allem der DVU liegt gerade in ihrer Anonymität. Mit allen Rechten einer beim Bundeswahlleiter zugelassenen Partei konnte sie ihre nationalistische Werbung per Post verbreiten, die formale Wahlzulassung erreichen und sich selber zum Thema machen, ohne überhaupt in Bremen eine Adresse zu haben. Der Protest dagegen mußte sich Ersatzgegner suchen: die Post, die ohne Bedenken die Hauswurfsendungen verteilen ließ, Verlage, die die Anzeigen ab druckten, und die Städtereklame, die Werbeflächen vermietete. Es gab zwar einen halbherzigen Vorstoß Bremens für ein FAP– Verbot im Bundesrat. Doch während ein solcher Antrag beim Verfassungsgericht Aussicht auf Erfolg hätte, gibt es die rechtliche Möglichkeit eines Verbots der DVU wohl nicht. Denn dessen ausländerfeindliche Propaganda bewegt sich durchaus im Rahmen dessen, was auch von CDU und CSU–Politikern zu hören ist. „Gerade weil Bremen eine überwiegend linke politische Kultur hat, finden die Neo– Nazis besondere Aufmerksamkeit, fast einen Resonanzboden“, suchte der Bremer Innensenator Volker Kröning eine Antwort auf die Frage, warum gerade dort die DVU und die FAP ihr Exerzierfeld gesucht haben. Auch die geringe Zahl von 521 Unterschriften, die im kleinsten Bundesland für eine Wahlbeteiligung zu sammeln sind, wird dazu beigetragen haben. Außerdem versprechen sich die Rechtsextremen ein unzufriedenes Potential am rechten Rand der CDU, da die Bonner Regierungspartei in ihrer ewigen Bremer Oppositionsrolle weder Personen noch Themen zu bieten hat. Und schließlich ist es auch die Themenarmut im Bremer Wahlkampf überhaupt, die es den Rechten leicht gemacht hat, sich selber als Hauptthema zu inszenieren.