I N T E R V I E W „Nicht nur Freude und Willkommensrufe“

■ Umweltminister Klaus Töpfer über Hungen, die Molke und die Schwierigkeiten der Entseuchung und den Mangel von Alternativen

taz: Herr Töpfer, in Hungen ist die Welt nicht mehr in Ordnung, seitdem bekannt ist, daß dort das radioaktiv verseuchte Molkepulver entsorgt werden soll. Warum muß das denn ausgerechnet in Hungen bei der MOHA geschehen? Töpfer: Wo immer man mit der Lösung dieses Problems vor Ort antritt, muß man damit rechnen, daß da nicht Freude und Willkommensrufe entgegenschallen, sondern daß man mit großer Kritik und mit großen Fragen konfrontiert wird. Das wundert mich nicht. Wir haben uns bemüht und werden uns weiterhin bemühen, sowohl vor Ort und bei anderen darauf hinzuweisen, daß sowohl die Sache als auch das Verfahren umweltverträglich sind und das von daher gesehen keine Besorgnisse mit einem solchen Vorgehen verbunden sind. Trotzdem bleibt doch die Frage, ob nicht andere Firmen eher als die MOHA für ein solches Verfahren geeignet sind. Wir haben, und nicht nur ich, sondern auch noch andere wie mein Vorgänger, die gesamte Breite dieser Palette natürlich in tensiv erörtert. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, ob man zu einer direkten Ablagerung dieser Molke etwa als Abfall kommt, ob man sie durch Verdünnung oder durch Streckung für andere Zwecke einsetzen kann, ob man sie exportieren oder ob man sie eben mit einem hochtechnischen Verfahren entsprechend wieder entseuchen kann. Es war schon die Entscheidung meines Vorgängers im Amt, diesen Weg über eine Entseuchung nach dem Roiner– Verfahren zu beschreiten und dann haben wir natürlich beide versucht dieses Verfahren umzusetzen und mit verschiedenen Firmen Kontakte gehabt. Es ist ja immer wieder zu sehen gewesen, daß hier nicht die Problematik der Sache, sondern die damit verbundenen erheblichen emotionalen Turbulenzen zu Vorbehalten führen, denn jedes Unternehmen hat eben die Sorge, daß durch die Diskussion über diese Frage in Verbindung mit seinem Namen die jeweiligen Produkte stigmatisiert werden, daß es Einbußen im Absatz gibt. Von daher gesehen war die Bereitschaft von Unternehmen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, nicht sehr entwickelt. Was hat denn nun den Ausschlag für Hungen bewirkt? Nun, die Tatsache, daß es dort ein Trockenwerk gibt, daß nach dem Verfahren Roiner erforderlich ist, und das es ein Unternehmen gab, daß diese Herausforderung eben nicht durch Verweigerung von sich wies, sondern mit uns in intensiven Gesprächen abgeklärt hat, ob das möglich ist. Es scheint doch so, daß in Hungen die Entsorgung der Molke politisch nicht durchsetzbar ist. Wie wollen Sie das denn jetzt durchsetzen? Es gibt in unserem Rechtsstaat für alle Dinge, die wir tun, bestimmte Genehmigungsverfahren. Diese Genehmigungsverfahren haben wir stückweise in den verschiedenen Teilbereichen in der Frage der baurechtlichen Seite, des Strahlenschutzes bis hin zum Wasser abzuprüfen. Das haben wir weitgehend getan. Wir sind im Gespräch mit den Beamten, auch mit Hessen und vor Ort und wir werden das Projekt dann in aller Ruhe und ohne Hektik und ohne das wir uns an irgendeiner Stelle in das emotionale Überladen mit hineinbegeben, weiter verfolgen. Gibt es denn bereits Alternativ–Modelle zu Hungen? Ich glaube nicht, daß wir gut damit beraten wären, jetzt über Alternativen zu sprechen. Wir sind der Überzeugung, daß das Verfahren und das Unternehmen dafür geeignet sind. Ich meine, es kann hier nicht der Eindruck entstehen, hier wäre etwas in besonderer Weise umweltgefährdend und wir ziehen das jetzt aus Hungen zurück und gehen zu einem anderen Standort. Wir wären dann an einem anderen Ort mit diesen Aussagen wieder konfrontiert. Es wird in der Erörterung von Verfahrensschritten, von Genehmigungsverfahren abzuklären sein, ob dies dort in Hungen gemacht werden kann oder nicht, aber nicht die Frage, ob wir uns mit Blick auf emotionale Vorbelastungen ohne Klärung dieser Verfahrensschritte bald wieder zurückziehen, denn dann wird diese Beseitigungsaufgabe weitgehend eine unlösbare. Interview: Felix Kurz