Pikanter Rollentausch in Manila

■ Heftige Tumulte beim ersten Auftritt des philippinischen Oppositionsführers Enrile im Senat / Senatoren erinnern den heutigen Oppositionspolitiker an Repressionsmaßnahmen unter Marcos / Die Börse wertet die Karriere Enriles als stabilisierendes Element

Von Keith Richburg

Manila (wps) - Die Zusammensetzung des neuen philippinischen Oberhauses entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie: auf der einen Seite die 22 Senatoren der Regierungskoalition von Präsidentin Aquino, die meisten von ihnen unter Marcos verfolgt und inhaftiert; auf der anderen Seite Oppositionsführer Juan Ponce Enrile, drei Monate nach der Parlamentswahl endlich im Amt bestätigt und als Verteidigungsminister unter Marcos für Knastaufenthalt oder Exil vieler seiner neuen Kollegen im Senat verantwortlich. Entsprechend artete die erste Sitzung des Oberhauses mit Enrile am Montag zu einer bitteren Vergangenheitsbewältigung aus. Senatoren erinnerten sich lautstark an nächtliche Verhaftungen, Attentate und Hausdurchsuchungen, und einer fragte Enrile gar, ob er Marcos aus heutiger Sicht zur Ermordung von Corazon Aquinos Ehemann Ninoy beglückwünschen würde. Andere dagegen schienen einfach unsicher, welchen Empfang sie einem Mann bereiten sollten, der für sie eine vergangene Ära der Repression und Diktatur symbolisiert. Enrile, der sich als Verteidigungsminister gern mit „Rambo“ verglich, hatte dagegen offenbar keine Probleme mit seiner neuen Rolle. Gerade so, als wenn nichts gewesen wäre, griff er Präsidentin Aquino in seiner ersten Ansprache wegen ihrer „Kriegsrechtsmethoden“ an, darunter vor allem die Einführung militärischer Kontrollposten in Manila angesichts der zunehmenden Zahl an Attentaten, denen kürzlich auch der Minister für Lokalverwaltung zum Opfer fiel. Wo liberale Menschenrechtsanwälte unter den Aquino–treuen Senatoren heute für „rigide Verbrechensbekämpfung“ eintreten, hielt der ehemalige Verteidigungsminister die in der neuen Verfassung garantierten Bürgerrechte hoch. Noch Anfang des Jahres hatte Enrile eine wilde Kampagne gegen ebendiese Verfassung angeführt. Er selbst - so verteidigte Enrile sein eigenes Verhalten in der Kriegsrechtsära unter Marcos - sei stets legal gewesen, denn: „Unter der alten Verfassung war es legal, das Kriegsrecht zu erklären. Ich habe nur die Anweisungen des Präsidenten befolgt.“ Woraufhin der linke Anwalt und Aquino–Berater Rene Saguisag zurückbellte: „So wie die Deutschen in der Nazizeit?“ Der christdemokratische Senator Manglapus berichtete, wie sein Haus nach der Ausrufung des Kriegsrechts überfallen wurde und er selbst ins Exil gehen mußte. Trotz derartiger Wortgefechte sind die meisten politischen Beobachter der Ansicht, daß Enrile als Senator politisch stabilisierend wirken wird. Der 61jährige in Harvard ausgebildete Rechtsanwalt war im vergangenen November aus der Regierung Aquino entlassen worden, weil er offen gegen die Präsidentin intrigiert hatte, und eine starke Minderheit der Streitkräfte sieht in ihm noch heute ihren Mann. Ist Enrile im Senat, so kann das Militär nicht mehr behaupten, ihre Ansichten würden untergebuttert. Dieses Argument dürfte die Regierung bewogen haben, Enrile schließlich den 24. Senatssitz zuzusprechen, obschon er nahezu gleichauf mit dem ehemaligen Arbeitsminister Sanchez lag. Sobald Enrile zum Senator erklärt worden war, stiegen die Börsenkurse von 26 auf 29 Punkte an , nachdem sie vorher tagelang gesunken waren. Ein Bonus auf die gebannte Putschgefahr sozusagen.