Beugehaft für Volkszählungsgegner

■ Grünen–Mitarbeiter in Trier verweigerte Denunzierung eines Vobo–Aktiven / Bisher einmalige Maßnahme in der BRD / Rätselhaft, wieso der Name des Gesuchten von der Staatsanwaltschaft nicht längst ermittelt wurde

Von Max Holz

Trier (taz) - Ein Regionalmitarbeiter der Grünen in Trier, Ewald Adams, soll in sechsmonatige Beugehaft, weil er einen anderen Volkszählungsgegner nicht beschuldigen will. Dies hat das Landgericht Trier angeordnet. Damit soll der Mitarbeiter der Grünen Bundestagsabgeordneten Heike Wilms–Kegel dazu gezwungen werden, den Namen eines „Beschuldigten“ zu nennen, der bereits am 25. Mai auf einer öffentlichen Kundgebung vor der Trierer Porta Nigra die Kennziffer eines Volkszählungsbogens abgeschnitten hatte. In dieser Handlung sah der Trierer Staatsanwalt Leisen gleich zwei Straftaten: eine Sachbeschädigung durch das Entfernen der Kennung und einen Aufruf zur Begehung eben jener Sachbeschädigung. Veranstalter dieser Kundgebung waren der Grüne Kreisverband Trier–Saarburg, die Trierer Initiative gegen die Volkszählung und die Trierer Initiative gegen Atomanlagen (TIGA). Zwei Tage nach dieser Veranstaltung wurde Ewald Adams das erste Mal vernommen. Am 10. Juni folgte die nächste Vernehmung, bei der Adams auch unter der Androhung eines Ordnungsgeldes erneut eine Denunzierung verweigerte. Nach diesem „Erpressungsversuch“, so Ewald Adams, verhängte das Landgericht dann ein Ordnungsgeld von 750 DM gegen den Regionalbeauftragten. Doch damit nicht genug. Staatsanwalt Leisen beantragte daraufhin zusätzlich gegen den von ihm zum Zeugen umfunktionierten Grünen Mitarbeiter die Verhängung einer Beugehaft. Das Trierer Amtsgericht wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, die „Beugehaft stünde zur Bedeutung der Strafsache außer Verhältnis“. Weder Ewald Adams noch sein Rechtsanwalt hatten von Leisens Beugehaftantrag bis zur Ausstellung des landgerichtlichen Beschlusses etwas gewußt. Das Landgericht kam nun zu dem Ergebnis, daß Adams kein Zeugnisverweigerungsrecht habe. Durch das Abschneiden der Kennummer sei der „Gebrauchswert“ der Erhebungsbögen „völlig zunichte“ gemacht, „da diese durch Abtrennung ihrer Kennummer überhaupt keiner verbrauchbaren Verwertung mehr zugeführt werden könne“. Die Maßnahme der Beugehaft sei zudem „mit Rücksicht auf die gesamten Umstände der Tat“ nicht unverhältnismäßig, denn, so die Richter, „der über das ganze Bundesgebiet straff organisierte Volkszählungsboykott“ habe „sich zum Ziel gesetzt, möglichst alle Bürger zu einer Sachbeschädigung ... zu veranlassen“. Warum Staatsanwalt Leisen den Namen des von ihm Gesuchten nicht ermitteln konnte, ist sowohl Ewald Adams als auch dem Sprecher der die Veranstaltung mittragenden TIGA, Georg Wißmeier, nicht erklärbar. Denn der ermittelnde Staatsanwalt drückte sich nachweislich ebenfalls auf der Kundgebung herum und beobachtete das Geschehen aufmerksam. Georg Wißmeier, angestellt im Einzelhandel und Betriebsratsvorsitzender, legte dazu gestern in Trier auf einer Pressekonferenz entsprechendes Bildmaterial vor und erklärte, daß er die vom Staatsanwalt gesuchte Person sei. (Akt.Z.: I Qs 158/87). Siehe Kommentar