Soldaten laufen ständig im Gericht rum

■ Die Angeklagten sind fast immmer schwarz, die Richter und Staatsanwälte immer weiß

taz: Wie sieht es mit der „Rechtsstaatlichkeit“ in Südafrika aus? Anton Lubowski: Ich kann das mal an einem Fall deutlich machen, in dem ich selbst verteidigt habe. Am Ostkap waren Schüler aufgestanden und hatten gegen das Schulsystem revoltiert. Die Kinder wurden verhaftet und monatelang in Einzelhaft gehalten. Als der Prozeß vier Monate lang lief, haben sie meinen Kollegen verhaftet, der dann vier Monate lang eingesperrt wurde, und wir mußten den Prozeß vertagen. Bei diesem Prozeß waren immer 30 oder 40 Polizisten anwesend, die mit Maschinengewehren im Gericht und davor rumgelaufen sind. Das erzeugt eine Spannung, die den Richter natürlich auch beeinflussen kann, wenn da Lastwagen voll Soldaten angefahren kommen. Und die laufen dann ständig im Gericht herum. Sind die Richter objektiv? Die Richter versuchen immer zu vermeiden, daß eine Sache politisch gesehen wird. Bei politischen Fällen werden die Leute ja immer unterm Strafrecht angeklagt. Die Richter versuchen dann zu sagen: Okay, wir machen es rein strafrechtlich. Die Kinder standen halt da und haben Steine geschmissen. Warum, ist irrelevant. Das hat mit Politik nichts zu tun. Wer sind die Richter? Die Richter in Südafrika werden vom Staat angestellt, das heißt, von der Regierung, von der Nationalen Partei. Die Oberrichter sind Anwälte, die eine Privatpraxis haben und von der Regierung gefragt werden, ob sie Richter werden wollen. Und da werden halt nur Anwälte gefragt, die für das System sind. Die meisten Angeklagten sind Schwarze, die nicht viel Geld haben. Gibt es in Südafrika ein Armenrecht, eine Pflichtverteidigung? Eine Pflichtverteidiung, die der Staat bezahlt, gibt es bei strafrechtlichen Fällen nur dann, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Angeklagte zum Tode verurteilt wird. In zivilrechtlichen Fällen gibt es außerdem eine Rechtshilfe, vor allem für Scheidungsverfahren. Das heißt, wenn Demonstranten zu Dutzenden, zu Hunderten festgenommen werden, stehen sie ohne Rechtsbeistand vor Gericht? So ist es. Man geht davon aus, daß über 90 Prozent der Prozesse ohne Verteidiger über die Bühne gehen. Vor weißen Richtern? Vor weißen Richtern. Auch die Staatsanwälte sind weiß. Die Verteidiger aber nicht mehr unbedingt, es gibt schon schwarze. Das Interview führten Gaby Mayr und Günter Beyer