Show zu Wasser - Blutiger Ernst zu Land

■ Dritter US–geschützter Konvoi unterwegs nach Kuwait / Norwegischer Tanker im Golf von Oman beschossen / Iranischer Ölexport floriert / Irak könnte den Geldstrom für den Ayatollah stören / Die Wiederaufnahme des „Städtekrieges“ zwischen Iran und Irak droht

Aus Manama William Hart

Allmählich werden die Bergungsunternehmer sauer. Seit Wochen haben sie mit ihren Schleppern keinen Havaristen mehr auf den Haken genommen. Und auch die Journalisten zahlen nicht mehr wie in den ersten Tagen der US– Geleitschutzaktion. Nur im Hubschrauberverleih ist derzeit noch Geld zu machen. Von ihnen aus kann man die Bewegungen der Schiffe der US–Flotte am besten verfolgen. Seit Tagen ist Spürsinn gefragt. US–Kommandeure sind wortkarg geworden. Mit taktischen Schachzügen versucht die US–Marine die iranischen Revolutionswächter zu überraschen. So startete gestern nicht der zweite US–Konvoi seine Rückfahrt von Kuwait aus, sondern der dritte Geleitzug von kuwaitischen Tankern und US– Kriegsschiffen fuhr in den Golf ein. Dieser Coup wird ab Freitag morgen für Enge in den kuwaitischen Küstengewässern sorgen. Die US–Marine hat sich bisher vor allem dadurch ausgezeichnet, kuwaitische Tanker in ihre alten Heimatgewässer zu geleiten. Mit der Organisation der Rückfahrten tut sich die Supermacht seit dem 24. Juli ausgesprochen schwer. Während die von Kuwait gecharterten drei Sowjettanker planmäßig für Devisenzufluß in die Kasse der Scheichs sorgen, haben die unter US–Flagge operierenden Tanker noch keinen Tropfen Öl aus dem Golf geschafft. Von acht Tankern, die in den Golf eingefahren sind, hat bisher einzig der Flüssiggastanker „Gasprince“ den Weg in den Indischen Ozean zurückgefunden. Dabei besteht für die US–Konvois keine Gefahr. Am Montag schärfte Irans Staatspräsident Seyed Ali Khamenei den Revolutionswächtern noch einmal ein, daß die Islamische Republik nicht auf Schiffe schießen werde, da seit dem Beginn der US–Geleitschutzaktionen der Kriegsgegner Irak keine iranischen Schiffe mehr angegriffen habe. Khamenei wollte möglicherweise aufkommende Freude in den Reihen der Revolutionswächter über einen Angriff wahrscheinlich übereifriger Kameraden im Keime ersticken. Am Dienstag morgen war im Golf von Oman, in der Nähe der Straße von Hormuz, erstmals seit Beginn des Krieges im September 1980 ein Schiff beschossen worden. Von zwei kleinen Booten aus war der norwegische Chemietanker „Osco Sierra“ mit zwei kleinen Raketen angegriffen worden, ohne groß zu Schaden zu kommen. Die Islamische Führung in Teheran muß diese Aktion als Ärgernis empfinden, denn sie ist derzeit äußerst zufrieden. Der Ölexport läuft mit etwa zwei Millionen Barrel am Tag so gut wie noch nie in den vergangenen 24 Monaten. Auch wenn der höhere Output bereits den Rohölpreis am Weltmarkt spürbar drückt, so wird die islamische Zentralbank zum Jahresende Deviseneinnahmen melden können, von denen die Mullahs vor Monaten noch nicht einmal zu träumen wagten. Seit neun Tagen droht Irak mit seinen Luftangriffen jedoch dieses mühsam entwickelte militärische Gleichgewicht in der Region durcheinanderzubringen. Nahezu täglich bombardieren irakische Piloten Öleinrichtungen im iranischen Hinterland. Über kurz oder lang werden die Tanker also nicht mehr mit der gleichen Geschwindigkeit gefüllt werden können. Iran reagiert bisher in der für die ersten Kriegsjahre typischen Weise: Vergeltungsangriffe auf irakische Fabriken. Iranische Drohungen von vorgestern Abend lassen Schlimmes befürchten. Die Wiederaufnahme des „Städtekrieges“ zeichnet sich ab. Denn Teheran forderte bereits die Menschen auf, die Umgebung von Industriebetrieben zu räumen. Gleichzeitig appellierte Teheran an die internationale Öffentlichkeit, den irakischen Luftangriffen Einhalt zu gebieten. Die eigenen Angriffe an der Landfront mit jeweils Tausenden von Toten Iranern und Irakern, die zur Wiederaufnahme des Luftkrieges führten, werden natürlich an einer anderen Stelle der Nachrichten gebracht. Auch wenn die Journalisten am Golf derzeit vergeblich der großen Eskalation entgegenfiebern, über kurz oder lang dürfte sie kommen. Bisher folgte der Eskalation im Luftkrieg stets das Übergreifen auf den Golf. Die Präsenz der US–Flotte dürfte diesen Schritt zwar aufschieben, aber nicht verhindern können.