Fünf vor zwölf für Spänex–Arbeiter

■ Die Besetzung des Maschinenbau–Unternehmens Spänex geht weiter / Solidarität in der Bevölkerung / Ein Ende des Konflikts ist nicht absehbar / Übernahme des Betriebs durch die Arbeiter wird nicht diskutiert

Aus Uslar Wolfgang Schäfer

Am vergangenen Montag fünf vor zwölf ruhte in Uslar jede Arbeit. Autos blieben stehen, und Geschäftsleute und Kunden kamen aus den Läden und bilden Gesprächsgruppen. Zu der „Fünf– vor–zwölf–Demonstration“ hatte die Spänex–Belegschaft aufgerufen, die seit über einer Woche ihren Betrieb besetzt hält. Die etwa 170 Arbeiter und Angestellten dieses mittelständischen Maschinenbau–Unternehmens finden in der Bevölkerung positive Unterstützung. Vor allem kleine Geschäftsleute und Einzelhändler solidarisieren sich mit den Betriebsbesetzern. Die Sympathiewelle ist vor allem auf die desolate wirtschaftliche Lage der Solling–Region zurückzuführen. Dieses waldreiche Mittelgebirgsgebiet zwischen Leine und Weser, in dem etwa 25.000 Menschen leben, ist ein altes Industrierevier. Es wurde bis in die jüngste Vergangenheit von der holzverarbeitenden Industrie geprägt. Der Niedergang der Uslarer Kleinmöbelbetriebe und mehrere Konkurse haben den Solling in den letzten Jahren zu einem Armenhaus Niedersachsens gemacht, in dem die Arbeitslosigkeitsquoten konstant bei 20 Prozent liegen. Viele Arbeiter über 50 sind seit Jahren arbeitslos, junge Fachkräfte ziehen - teilweise mit Unterstützung des Arbeitsamts - wie vor 100 Jahren „in die Fremde“, um zu einem Job zu kommen. Andere nehmen lange Pendelwege von mehreren Stunden täglich in Kauf, um in ihrer Heimat wohnen bleiben zu können. Diese Situation der Region wurde in den letzten Jahren von den meisten Bewohnern des Sollings mehr oder weniger fatalistisch hingenommen. Pleiten, Betriebsstillegungen und Massenentlassungen gingen meist sang– und klanglos über die Bühne und provozierten allenfalls papierne Proteste. Die meisten Spänex–Beschäftigten sehen ihre Betriebsbesetzung auf diesem Hintergrund. „Wir hatten ja gar keine andere Wahl“, sagt Betriebsratsvorsitzender Heinz Priesing. „Jedem war klar, daß die Alternative zur Besetzung Dauerarbeitslosigkeit oder Wohnortwechsel ist.“ Obwohl die meisten Spänex– Besetzer optimistisch sind, was den Ausgang ihres Kampfes anbelangt, drückt das leere Portemonnaie langsam auf die Stimmung. In vielen Familien wird das Geld knapp, da Ende Mai zum letzten Mal Löhne und Gehälter gezahlt wurden. Seit dem 7. August sind die Arbeiter und Angestellten zwar arbeitslos gemeldet, aber das Arbeitsamt läßt sich Zeit mit der Überweisung des Arbeitslosengeldes. Eine Übernahme des Betriebs durch die Belegschaft wurde bisher kaum diskutiert. Die meisten Arbeiter und Angestellten des Spänex–Werks schrecken vor einem derartigen Schritt zurück und lehnen ihn als „unrealistisch“ ab. Ein Betriebsrat zur taz: „Ich glaube, das würde nicht klappen. Aus finanziellen Gründen. Wir könnten das Kapital nicht aufbringen. Von der technischen Seite her könnte es hinhauen. Fachkräfte haben wir genug. Denkbar wäre, daß wir kommissarisch den Betrieb übernehmen, damit man in aller Ruhe einen Käufer finden kann. Aber auch da ist die Voraussetzung, daß die Banken mitspielen.“ Eine Räumung des Werks durch die Polizei können sich die Besetzer nicht mehr vorstellen. Sie hoffen weiterhin, daß sich in den nächsten Tagen ein finanzkräftiger Käufer finden wird, der zumindest einen Großteil der Beschäftigten übernimmt.