Zweite Front im Süden Sri Lankas eröffnet

■ Weiterhin starke Sicherheitsvorkehrungen in Colombo / Radikale singhalesische Organisation übernimmt Verantwortung für Anschlag auf Präsidenten / Wirtschaftlicher Aufschwung soll Abkommensgegner Nährboden entziehen / Regierung warnt vor falschen Mönchen

Aus Colombo Biggi Wolf

Die Boeing 737 Montag morgen vom indischen Madras nach Colombo war nur zu einem Viertel ausgebucht, jeder der 30 Passagiere kam in den Genuß eines Fensterplatzes. Kein Zweifel: Sri Lankas Hauptstadt ist in diesen Tagen nicht attraktiv. Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Rajiv Gandhi und Präsident Jayewardene am 29. Juli und den damit verbundenen gewalttätigen Ausschreitungen hat sich die Spannung nicht wieder gelegt. Mindestens 70 Tote, mehr als 100 ausgebrannte Busse und Schäden in Millionenhöhe an Regierungsgebäuden hinterließen radikale singhalesische Gegner des Abkommens in Colombo und anderen Orten im Süden Sri Lankas. Die zunächst für Dienstag angesetzte Parlamentseröffnung nach der Sommerpause war von starken Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Seit Montag nacht liegen Colombos Zentrum und die Vororte unter einem Netz von 3.000 - so die offiziellen Angaben - speziell trainierter Polizei– und Armeekräfte. An jeder Straßenecke zwischen den neuen Hotel– und Gewerkschaftskomplexen in der Stadtmitte sind mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten postiert. Keine Post, Bank, kein Restaurant oder größeres Geschäft kann ohne Handtaschenkontrolle betreten werden. „Wir sind bereit, jeder Bedrohung zu begegnen“ hatte der die Einsätze leitende Polizeiinspektor Weerasinghe Anfang der Woche gegenüber der Presse erklärt. Während im Zentrum durch patroullierende Jeeps, aus denen nur Gewehrläufe herausragen, Macht demonstriert wurde, verübten im 10 km entfernt liegenden Parlamentsgebäude Sri Jayawardenapura, das hermetisch von der Öffentlichkeit abgeschirmt war, bislang unbekannte Täter einen Anschlag auf Präsident Jayewardene. Am Mittwoch übernahm die patriotische Volksfront (PPF) die Verantwortung für den Anschlag. Hinter dieser Organisation wird die verbotene militante JVP vermutet, die 1971 einen bewaffneten Aufstand von 30.000 Singhalesen gegen die damalige Regierung Bandaranaike angeführt hatte.Die JVP - Janatha Vimukti Peramuna (Volksbefreiungsfront) - rekrutiert ihre Anhänger vor allem unter buddhistischen Mönchen und radikalisierten singhalesischen Studenten. Ihr werden zahlreiche Überfälle auf private Waffenbesitzer und Polizeistationen zugeschrieben, bei denen allein in den letzten zwei Wochen 1.000 Gewehre geraubt wurden. 3.000 JVP–Anhänger befinden sich laut Regierungsangaben derzeit unter dem „Prevention of Terrorism Act“ (PTA), der in der vergangenen Zeit fast ausschließlich gegen Tamilen angewendet worden war, in Haft. 2.500 Sympathisanten der Organisation sollen die Armee unterwandert haben. Der Generalinspektor der Polizei in Colombo, Cyril Herath, warnte letzte Woche vor „falschen Mönchen“: Es sei eine sprunghafte Nachfrage nach safrangelben Mönchskutten festgestellt worden. Der Anschlag vom Dienstag muß als erneute Warnung der radikalen Singhalesen an Minister und Abgeordnete verstanden werden, die das Friedensabkommen befürworten. Mehrere Privathäuser von Ministern sind in den letzten zwei Wochen Brandanschlägen zum Opfer gefallen. „Die Hände, die in dem Abkommen stecken, müssen abgehackt werden“, drohen auch an Hauswänden geklebte Plakate an. „Vor zwei Wochen waren noch schätzungsweise 90 Prozent der Bevölkerung im Süden gegen das Abkommen“, sagt ein junger Singhalese. „Wir hoffen, daß sich die Erregung mit jedem weiteren Tag legt.“ Hauptursache der Ablehnung sei mangelnde Information darüber, was der Pakt tatsächlich beinhaltet. „Das macht die Leute empfänglich für Parolen wie Ausverkauf des Landes an tamilische Terroristen und die Propaganda von einer indischen Invasion,“ meint er. Präsident Jayewardene spricht von „anarchistischen Kräften“ und erklärte im staatlichen Rundfunk kurz nach dem Attentatsversuch: „Nachdem die terroristischen Aktivitäten der im Norden und Osten lebenden Tamilen nun glücklicherweise unter Kontrolle sind, sehen wir uns mit den Terroristen aus dem Süden konfrontiert.“ Wenngleich sich oberflächlich das Leben in Colombo seit Mittwoch wieder normalisiert hat, bleiben die Sicherheitsvorkehrungen auf höchster Alarmstufe. Zwei Fregatten der indischen Marine mit 2.000 Soldaten an Bord liegen seit dem 30. Juli gut sichtbar vor der Küste Colombos. Die mehrere tausend Mann starken Einheiten der Sri Lankanischen Armee, die von der tamilischen Jaffna Halbinsel abgezogen und dort durch indische Soldaten ersetzt wurden, finden im Süden übergangslos neuen Einsatz. Grüne Plakate der UNP, „Haß kann nicht durch Haß, sondern nur durch Liebe beseitigt werden“, rufen die Bevölkerung zur Besonnenheit auf. Den Bildern über die Waffenniederlegung durch die tamilische Guerilla im Norden und Osten wird breiter Raum im staatlichen Fernsehen gewidmet. Daneben sind es vor allem die Verheißungen eines schnellen wirtschaftlichen Aufschwungs, wie sie vor allem von den „Tauben“ im Kabinett, Finanzminister Ronnie de Mel und Landentwicklungsminister Dissananyake, beschworen werden, die die breiten Bevölkerungsschichten in Einklang mit dem Abkommen bringen sollen. Die Regierung kündigte eine Gehaltserhöhung von mindestens 300 Rupien (20 DM) monatlich für alle Angestellten des öffentlichen Dienstes an. Diese werde durch eine Reduzierung des Verteidigungsbudgets, durch Wiederbelebung der viertgrößten Einkommensquelle Tourismus und durch eine zu erwartende zunehmende Investitionsfreudigkeit ausländischer Unternehmer ermöglicht. Die Weltbank ließ einen Sonderausschuß „zur Mobilisierung und Koordinierung der Ressourcen zum Wiederaufbau“ einrichten. Die der Zensur unterworfene hiesige Presse - viele weiße Löcher mit dem Querbalken „zensiert“ lassen ein nur sprunghaftes Lesen zu - forderte die Regierung auf, keinerlei Nachlässigkeit im Umgang mit der „terroristischen Gefahr“ aus dem Süden walten zu lassen, um die ersten zaghaften wirtschaftlichen Genesungsversuche nicht zu gefährden. Vor allem, so schreibt die staatliche Sun am 18.8., müsse verhindert werden, daß die im Norden und Osten niedergelegten Waffen der Tamilen über Umwege an die militanten Singhalesen im Süden gelangten.