Ärger mit der Schrott–Zählung

„Erfolgreich und planmäßig“ sei alles gelaufen, urteilte Bundesinnenminister Zimmermann schon vor Wochen über die Volkszählung. Doch die „Planmäßigkeit“ bedeutet, daß fast drei Monate nach dem Stichtag 25. Mai immer noch Tausende von BürgerInnen keinen Fragebogen haben. 70.000, so geht aus Presseberichten hervor, blieben bisher allein in der Halb–Millionen–Stadt Dortmund ungezählt. In Hannover, so ermittelten die Statistiker jetzt jüngst nach einer ersten Auswertung, haben wohl zehn Prozent der zu Zählenden noch keinen Bogen erhalten. 15 Prozent waren es nach offiziellen Angaben bis vor kurzem auch noch in Berlin. In den Großtädten versucht man jetzt krampfhaft, per Postversand die Bögen an Mann und Frau zu bringen. Bloß - wenn die Empfänger pfiffig sind, haben sie das ungeliebte Stück natürlich nie gesehen, denn es landet ohne Zustellungsurkunde in den Briefkästen. Mehr noch als all diese bisher Ungezählten machen den Erhebungsstellen zur Zeit diejenigen zu schaffen, die auf Mahnungen nicht anworten. 30.000 verweigerten allein in Dortmund bisher trotz mehrfacher Mahnung die Rücksendung des Fragebogens. 15 Prozent der ausgeteilten Bögen gelten bisher in Köln als „vermißt“. Zehn Prozent sind es in Köln , 15 Prozent in Heidelberg und - absoluter Rekord - zwischen 20 und 30 Prozent verweigerten in Tübingen bislang die Auskunft. Fehlerquoten Gelinde gesagt „nicht sehr zufrieden“ äußern sich aber auch die Erhebungsstellen der kleineren Orte, die weniger über die Verweigererquote klagen als vielmehr über das, was sie dann in den geöffneten Briefumschlägen finden. 80 Prozent nicht verwertbar, konstatierte der Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Erding völlig resigniert. 70 Prozent fehlerhaft, heißt das Urteil der Erhebungsstelle Melle. Ein Drittel falsch oder „unsinnig“ ausgefüllt, lautet die bittere Bilanz in Ravensburg, und auf 90 Prozent Fehlerquote kommt gar die Verbandsgemeinde Hanstätten im Rhein– Lahn–Kreis. Daß das Gros des zu zählenden Volkes seinen Unmut mit falschen oder unsinnigen Angaben und bewußt verschandelten Fragebögen demonstriert hat, macht den örtlichen Erhebungsstellen derzeit am meisten zu schaffen. Die politische Botschaft dieses Antwortver haltens wird zwar bewußt heruntergespielt. In ihren stillen Kämmerlein werden sich die Verantwortlichen der Volkszählung schon eingestehen, daß mit diesem Datenschrott wohl kaum der vor der Zählung angepriesene „Staat“ zu machen ist. Denn all die jetzt festgestellten Fehler sind ja nur die sichtbaren Widersprüche und Auslassungen. Wo sonst noch bewußt geschummelt wurde und um ein Wievielfaches zum Beispiel die Zahl der Professoren oder Regierungsdirektoren dank der Volkszählung in der Statistik auf mysteriöse Weise steigen wird, wird man wohl nie erfahren. Finanzprobleme Die Gelackmeierten sind jedoch erst einmal die Städte und Gemeinden, die jetzt die Fehler ausputzen sollen. Die längst geplante Schließung vieler Erhebungsstellen mußte durch den aus den Fugen geratenen Zeitplan verschoben werden. In Großstädten wie Bochum rechnet man notgedrungen sogar mit einer Weiterarbeit der Erhebungsstelle bis Februar oder März 88. Den Kommunen bereitet der personelle und organisatorische Aufwand bisher nicht übersehbare Kosten. Und gerade das ist für sie besonders mißlich, da etliche von ihnen schon jetzt auf dem Statistik–Papier einen merkwürdigen Einwohnerschwund festgestellt haben, der sich in der Gemeindekasse in entsprechend niedrigeren Steuerzuwendungen niederschlagen wird. 10.000 Bürger sind nach Angaben der Erhebungsstelle allein in Dortmund spurlos verschwunden, und auch andere Gemeinden klagen, daß sie jetzt wohl bei einem Finanzausgleich schlechter abschneiden werden als bisher, denn die Differenzen zu den bisher gültigen Einwohnerregistern sind offenkundig. Wen wunderts? Mußten doch die Zähler an den Haustüren auf die Nachfrage nach bestimmten Personen häufig die lapidare Antwort: „Wohnt hier nicht“ oder „Ist weggezogen“, auf ihren Listen vermerken. Einzige Nutznießer der Volkszählung, so steht wohl jetzt schon fest, sind die Werbeagenturen, die Meinungsforschungsinstitute und - allen voran - Schwarz–Schillings Bundespost. 17,6 Millionen Mark Portokosten hatte die Post allein bis Ende Juni schon für die Rücksendeumschläge kassiert, und ein riesiger Batzen an weiteren Rücksendungen, Erinnerungsschreiben, Mahnungen und teuren Zwangsgeldzustellungen steht noch aus. Vera Gaserow/Petra Bornhöft