Radikal–Provinzausgabe im Visier

■ Durchsuchungen in Köln, Aachen und Bonn / Ermittlungen nach § 129a wegen Dokumentation eines Rote Zora–Bekennerbriefes von 1985 / Darin wurde der Anschlag auf ein Gen–Zentrum begründet

Aus Bonn Oliver Tolmein

Bonn (taz) - Sechs Stunden lang durchkämmten gestern morgen Beamte des Bundeskriminalamtes (Abteilung Terrorismus), zweier Sondereinsatzkommandos und Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft zwei besetzte Häuser in der Kölner Marienstraße. Im Durchsuchungsbefehl, den ein Ermittlungsrichter vom Bundesgerichtshof ausgestellt hatte, hieß es, es bestehe der Verdacht, Be wohner des Hauses hätten für die „terroristische Vereinigung Revolutionäre Zellen und ihren feministischen Flügel Rote Zora“ geworben oder sie unterstützt, indem sie die „Nr. 130a Provinzausgabe“ der radikal „hergestellt oder verbreitet“ hätten. Bei der Durchsuchungsaktion, während der die Marienstraße von einer Hundertschaft der Polizei abgesperrt war, wurden zahlreiche Unterlagen, Privatpapiere und Flugblätter fotografiert und beschlagnahmt, Türen eingetreten und Böden beschädigt. Zu Festnahmen kam es nicht. Ähnliche Aktionen wurden nach Auskunft der Generalbundesanwaltschaft in Aachen und Bonn durchgeführt. Daß die radikal–Provinzausgabe, die Anfang dieses Jahres als Reaktion auf die Repressionsmaßnahmen gegen die radikal in Umlauf gebracht wurde, „terroristische Vereinigungen“ unterstützt oder für sie wirbt, macht die Bundesanwaltschaft am Abdruck eines Bekennerbriefes der Roten Zora vom 18. August 1985 (!) fest. Darin wurde ein Anschlag auf das Max–Planck–Institut für Züchtungsforschung, Bestandteil des Genzentrums in Köln, begründet: „Bayer Leverkusen sichert sich die Patente/Rechte auf die im GenZentrum Köln entwickelten Genstrukturen, womit die Neuschöpfungen zu ihrem Eigentum werden. Ihre profitable Nutzung setzt den sozialen Zerstörungsprozeß der „Grünen Revolution“ fort...Den Hunger beseitigen sie nicht.“. Die radikal–Provinzausgabe ist ausdrücklich nicht von der Redaktion der verfolgten radikal produziert worden. Im Vorwort der zwanzigseitigen Provinzausgabe heißt es: „Es ging uns nicht speziell um die radikal. Wir haben uns sehr freizügig des Namens bedient und Artikel aus verschiedenen Ausgaben zusammengestellt. Wir haben dieses Heft gedruckt als einen Beitrag zur Diskussion über den Umgang mit staatlicher Repression. Denn die Veränderung der herrschenden Verhältnisse bedarf vieler Werkzeuge, die alle gleichermaßen wichtig sind: Kongresse, Sägen, Steine, Zeitungen, Sprühdosen, Demos. PS.: Ansonsten gelten alle bewegungsüblichen Forderungen.“