Alliiertenrecht rechtfertigt Vobo

■ Berliner Amtsgericht erkennt Zweifel an Datenschutz an Alliierte haben Zugriff auf alle Personendaten und Statistiken

Von Brigitte Fehrle

Berlin (taz) - Vor einem Berliner Amtsgericht wurde am Donnerstag erstmals eine Frau, die zum Boykott der Volkszählung aufgerufen hatte, freigesprochen. Der Richter befand die Bedenken der 57jährigen Inge Kopp, stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW), größtenteils für stichhaltig. Man könne in Berlin den Datenschutz nicht garantieren, da hier die Alliierten aufgrund einer Anordnung von 1955 Zugriff auf alle Daten und Statistiken der Stadt hätten. Das lasse Zweifel an der Einhaltung des Datenschutzgebots im Volkszählungsgesetz zu. Eine Klage gegen die Zulässigkeit der Volkszählung in Berlin liegt seit Monaten beim Verwaltungsgericht und soll in der nächsten Woche entschieden werden. Weiter erkannte das Gericht an, daß Menschen aufgrund der Daten aus der Volkszählung reidentifiziert werden können. Berlin sei außerdem der Verpflichtung, zur Durchführung der Volkszählung ein Landesgesetz zu erlassen, nicht nachgekommen. Solange diese Bedenken nicht ausgeräumt seien, fand das Gericht, sei der Boykott im Sinne eines „Abwartens“ zulässig. Inge Kopp habe glaubhaft machen können, daß sie nicht zu einer Ordnungswidrigkeit aufrufen, sondern lediglich alle ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel habe ausschöpfen wollen. Da sie dazu keine andere Möglichkeit habe als erst einmal zu verweigern, weil sie ohne Heranziehungsbescheid oder Bußgeld beim Verwaltungsgericht gar nicht klagen könne, sei sie freizusprechen. Der Richter betonte, daß dies nicht für Aufrufe gelte, in denen aufgefordert wird, die Nummern abzuschneiden oder den Bogen falsch auszufüllen. Der Berliner Innensenator Kewenig (CDU) hat den Freispruch als „falsch“ bezeichnet. Inzwischen hat die Amtsanwaltschaft Rechtsbeschwerde gegen die Freisprüche eingelegt.