Krieg der Fahnen im Baskenland

■ Bei Demonstrationen am Wochenende in Bilbao gab es mehr als 100 Verletzte / Heftige Auseinandersetzungen im Baskenland um Hissen der spanischen Nationalflagge / Zivilgouverneure setzen sich mit Hilfe der Guardia Civil durch / Weiterhin angespanntes Klima

Bilbao/Berlin (ap/taz) - Heißer Sommer im spanischen Baskenland: Bei Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei wurden am Freitag abend in der baskischen Stadt Bilbao über 100 Personen verletzt. Nachdem sie trotz Verbots für eine Amnestie der inhaftierten ETA–Mitglieder und gegen die Ausweisung von Etarras aus Frankreich protestiert hatten, war die Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vorgegangen. Am selben Tag hatten bereits Jugendliche versucht, die spanische Fahne vom Rathaus von Bilbao herunterzuholen. Die Auseinandersetzungen vom Wochenende sind ein vorläufiger Höhepunkt im diesjährigen sogenannten Fahnenkrieg. Während der öffentlichen Feiern für die Stadtheiligen, die in verschiedenen baskischen Städten gerade stattfinden, hatten die Gemeindeparlamente einiger Orte beschlossen, die spanische Nationalfahne nicht am Rathaus zu hissen, da sie die Fahne einer fremden Macht sei. Der konservativ–nationalistische Bürgermeister von San Sebastian hatte beschlossen, zur Vermeidung des Konflikts keine der drei Fahnen aufzuhängen - weder die der Stadt, noch die baskische Fahne, die Ikurrina, noch die spanische Nationalfahne. Dem hatte sich der Generalgouverneur der Provinz Guipuzkoa Goni Tirapu widersetzt, der von der Zentralregierung in Madrid eingesetzt wird, und hatte alle drei Fahnen durch Polizei anbringen lassen. Während die drei von Polizisten bewachten Fahnen vom Rathaus wehten, forderte das Stadtparlament von San Sebastian die Absetzung von Tirapu. In der Kleinstadt Llodio, die ein Mitglied der ETA–nahen Parteienkoalition Herri Batasuna zum Bürgermeister hat, wehte einige Tage nur die baskische Ikurrina, ehe auch dort - auf Befehl des Zivilgouverneurs der Provinz Alava Cesar Milano - die spanische Na tionalflagge durch die Guardia Civil angebracht wurde. Die Zivilgouverneure beziehen sich bei ihren Anordnungen auf eine Gesetzesklausel, der zufolge bei öffentlicher Beflaggung im Baskenland neben der baskischen Nationalfahne auch die spanische und die der jeweiligen Stadt gehißt werden muß. Seit 1983 Abgeordnete von Herri Batasuna in verschiedenen Orten erfolgreich gefordert haben, zu den öffentlichen Festivitäten nur noch die Ikurrina zu hissen, lebt der Fahnenkrieg jedes Jahr wieder auf. In diesem Jahr spielt er sich in einer für die ETA schwierigen Situation ab. Nach der Festnahme des „Kommandos Madrid“ Anfang des Jahres sowie des „Kommandos Barcelona“ und nach dem Anschlag auf ein Kaufhaus in Barcelona im Sommer, das Dutzende Tote gefordert hatte, braucht die ETA dringend Kämpfe, mit denen sich die Basken wieder identifizieren können. Am 15. August - mitten im Fahnenkrieg - kamen zwei junge ETA–Mitglieder durch ihre eigene Bombe ums Leben. Vermutlich hätte sie die Auseinandersetzungen um die Repräsentierung des spanischen Zentralstaats an baskischen Rathäusern verschärfen sollen. Die Polizei verhinderte am Mittwoch letzter Woche eine öffentliche Ehrung der Etarras während des Begräbnisses. Straßenschlachten waren die Folge. Das Klima bleibt weiter gespannt. ant