Madonna - „whos that girl?“

■ 60.000 bejubelten den italo–amerikanischen Popstar im ausverkauften Frankfurter Waldstadion

Wo bleiben sie bloß, die begeisterten Teenies im Madonna–Monroe– look? „Absolut kein geeignetes Material“, seufzt ein schwitzender Fotograf am Gleis Elf des Dortmunder Bahnhofes. Etwa 50 junge Leute, dem durchschnittlichen Publikum einer Fußgängerzone sehr ähnlich, warten auf den Sonderzug nach Frankfurt zur Madonna–Show. Auf das Ereignis deutet nichts außer lila–farbenen Zugschildern hin: „Rock and Rail Express“. Diese Tafel, sie ziert elf Sonderzüge aus dem Bundesgebiet, interessiert nur den Mann im kleinkarierten Anzug mit gestreifter Krawatte. Er knipst - fürs Familienalbum. Denn Michael Ratajski (48) begleitet Tochter Birgit (14) zum „Ferienausflug“. Den Vater ziehts in den „Gesellschaftswagen“, doch das Mädchen entscheidet: „Papa, wir gehen erstmal in nAbteil.“ In dem Kabuff packt die Gymnasiastin ein Lucky–Luke–Heft aus und hört schüchtern zu, während der intellektuelle Vater aus dem Nest Neuenrade bei Lüdenscheid über „Madonnas vor dreißig Jahren, zum Beispiel Emerson, Lake and Palmer“ philosophiert. Die Madonna– Musik findet Birgit „gut, aber am besten gefällt mir die Person, ihr Outfit. Nachmachen würde ich das nicht“, sagt die 14jährige. Genau das regt den 18jährigen, arbeitslosen Thomas aus Herne furchtbar auf: „Die Weiber inne Republik kannste vergessen. Sind Fans, aba traun sich nich, so rumzulaufen wie Madonna.“ Selbst hat Thomas sich Mühe gegeben, dem Idol nachzueifern. Bauchnabelfreies Hemdchen mit aufgedrucktem Madonna–Bild ohgottohgott, dieser unsägliche Bierbauch unter dem hochgerutschten T–Shirt..., d.Spr., sechs Ketten mit Kreuz, Billigarmbänder bis zum Ellenbogen, blond gefärbte Dauerwelle. Bei dieser Prozedur, schon Wochen vor dem Konzert eingeleitet, hat Freund Peter mächtig gelitten: „Mein Frisör hat mir mitte Farbe fast den Schädel weggeätzt.“ Um Madonna live sehen, würden die Beiden „allet tun“, inclusive fünf Tage nix essen für die 99 DM, die Fahrschein und Eintrittskarte kosten. Denn die Show „ist einfach super“, weiß Thomas und fügt mit glänzenden Augen hinzu: „Wie die Frau sich bewegt, so sexy und ordinär, toll!“ Und der 32jährige Lagerarbeiter Peter „vergißt bei dem Sound die Welt“. Den kann ihm weder Bild noch eine andere Zeitung - „allet, wo wat drinsteht, kaufen wir“ - vermiesen. Das meint auch der türkische Schüler Ufuk (18), Besitzer von 150 Platten, Stickern, Postern und sonstigen Madonna–Souvenirs. Das Abteil ist mit einer Fahne des Stars verhängt. Auf ausgezogenen Sitzen liegend, zieht sich die Neusser Clique die volle Lautstärke der 200–Watt–Anlage des DB–Animateurs rein. Sonja, pummelig und 22, nestelt kichernd an ihren schwarzen Netzstrümpfen unter dem weißen Minirock: „Nee, im Jugendamt könnte ich so nicht auflaufen, ist nurn Gag fürs Konzert.“ Rosa lackierte Fingernägel, wieder der billige Schmuck, Schleife im Haar, Spitzenbluse und -Handschuhe. Je mehr Bahnhöfe der Zug hinter sich läßt, desto häufiger diese Verkleidung der jungen Frauen. Daß Madonna „total cool“ auf tritt, ob im Umgang mit Männern, Geld oder ihrer Karriere, bewundern alle, ohne Ausnahme. „Die weiß, wie man nach oben kommt“, heißt es auf den Gängen. „Wahnsinnig, wie schlau die Kohle scheffelt und macht, was sie will“, bewundern ihre Fans. Nichts ist so „gut“ oder „super“ wie Madonna– Musik. Außerhalb des „Tanzwagens“ ist die Stimmung so lahm, daß der langjährige DB–Entertainer mehrmals ins Mikro ruft: „Leute, was ist los? Die reifere Jugend ist besser drauf.“ Vielleicht liegt es an der Hitze. Bei jedem Meter scheint die Temperatur um ein Grad zu steigen. Da werden selbst die tanzenden Madonna–ImitatorInnen schnell müde. Manche abgefüllten Männer können nicht mal fürs Fernsehen mehr die Arme hochreißen. Zwei Typen, die einen Benzinkanister Altbier geleert und Leute angerempelt haben, schmeißt die Bahnpolizei trotz verzweifelter Bitten in Mainz aus dem Zug. Diese Szene veranlaßt den Discjockey, kurz vor dem Ziel laut zu fordern: „Laßt das Fernsehen zuerst aussteigen und marschiert ordentlich an ihnen vorbei, wir wollen nette Bilder von den Fans.“ So wälzt sich eine ruhige Schlange durch den Staub zum Waldsta dion. Wieder haben die Fotografen das Nachsehen. Statt der vom Veranstalter angekündigten, farbig gestalteten „Madonna–Station“ beleben Bahnpolizisten das Bild, Ton in Ton mit dem grauen S– Bahnhof Frankfurt–Sportfeld. „Madonna: Betrug? Stimme kam vom Tonband“, orakelt Bild am Sonntag, die ich um 22.15 am Dortmunder Bahnhof erstehe. Während die Lady noch mitten in ihrer Show ist, sehe ich schon ihr Foto mit der Unterzeile „Zuletzt wurde es immer heißer“. Da kann auch was nicht stimmen. Fotografen durften nur während der ersten beiden Songs arbeiten. „Danach müssen die Kameras komplett aus dem Stadiongelände und in einem bewachten, verschlossenen Raum deponiert werden“ hatte Agent Hansi Hoffmann angeordnet. Petra Bornhöft