Italien macht die Strände auf

■ Mutige Bürgermeister und Amtsrichter öffnen zwangsweise den Zugang zu den Stränden / Mehr als zwei Drittel waren bis jetzt dem „normalen“ Publikum verschlossen

Aus Terracina Werner Raith

Im sardischen Olbia erwischte es die Fürstin Marta Marzotto und die brasilianische Schauspielerin Florinda Bolkan sowie den Industriellen Franco Rusconi mit ihren Riesenparks am Meer. In Porto Rotondo, Provinz Sassari, sogar den Aga Khan mit seinem „Sporting Hotel“, im Küstenstreifen zwischen San Felice Circeo und Terracina sind gar an die 9.000 Villeneigner davon betroffen: Landauf landab haben mutige Amtsrichter, Hafenbehörden und Bürgermeister damit begonnen, die zahlreichen durch Privatbauten verschlossenen Zugänge zu den Stränden des adriatischen, des ionischen und des tyrrhenischen Meeres notfalls mit Gewalt zu öffnen. „Der Zugang zu den Meeren ist für alle frei“, steht in der Verfassung: Doch von den 5.000 Kilometern Ufergestaden Italiens sind mehr als zwei Drittel dem Publikum verschlossen - insbesondere jene, wo man baden könnte, weil weder Steilküste noch Industrieanlagen den Sprung ins Naß vermiesen. Der Total–Verschluß der „spiagge“ ist Folge des wildwuchernden Tourismus– und Baubooms der 60er und 70er Jahre, wo Spekulanten kilometerweise Feriensiedlungen und begüterte Städter nach Lust und Laune Sommersitze auf die Dünen stellten. Mehr als 90 Prozent davon sind Schwarzbauten. Kaum waren die Bauten erstellt, haben die jeweiligen Eigentümer dann ungeniert auch noch den Rest des Terrains besetzt: Allüberall erschienen Schilder „Proprieta privata, vietato laccesso“ an den Zufahrtswegen. Damit soll jetzt Schluß sein. Der Bürgermeister von Terracina hat in einem Erlaß „die sofortige Beseitigung aller zugangsverwehrenden Tore“ verfügt; der Amtsrichter von Sassari sah im „Sporting Hotel“ des Aga Khan an der Costa Smeralda nicht die vom Besitzer reklamierte „historische Stätte, wo unter anderem Prinz Charles und Lady Diana nächtigten“, sondern schlicht eine illegale Strand–Zersiedelung, der „Capitano di porto“ von Olbia befand die Mauern und Einfriedungen um die Grundstücke der Fürstin Marzotto „als Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Zugang zum Meer“ und verfügte die sofortige Öffnung. Erstaunlich, wie schnell sich die Haus–Herren und -Damen plötzlich zu überzeugten Umweltschützern wandeln. In der Öffnung der Zufahrtswege sehen sie „eine schwere Bedrohung der Gesundheit Erholungssuchender durch Autoabgase“. Und: „Wer wird den Schmutz wegräumen, den die Strandbesucher hinterlassen?“ Eine gute Frage. Für sich haben die Dünen–Bebauer sie längst gelöst: Gut 80 Prozent von ihnen leiten ihren Schmutz und ihre Fäkalien direkt ins Meer.