Kommunales Ringen um den Frieden

■ Bremen und Rostock wurden zehnte deutsch–deutsche Städtepartner / Konkurrenz um die begehrten Beziehungen mit der DDR / Viele diplomatische Floskeln, wenig konkretes Programm / Skepsis in der Rostocker Bevölkerung

Von Dirk Asendorpf

Rostock (taz) - „Wissen Sie, in Bremen findet derzeit so etwas wie ein Wahlkampf statt“, informierte Bremens Bürgermeister Klaus Wedemeier Rostocker Journalisten. Kurz zuvor hatte er unter dem Bild des Staatsratsvorsitzenden Honnecker feierlich seine Unterschrift unter die zehnte Städtepartnerschaft zwischen der BRD und der DDR gesetzt. Knapp 500 bundesdeutsche Städte und Gemeinden sind zur Zeit auf derSuche nach einer solchen Beziehung, Bremen hat sich gegen die harte Konkurrenz in wenigen Wochen durchgesetzt. „Lassen Sie uns das Programm Schritt für Schritt verwirklichen“, warnte Rostocks Oberbürgermeister Henning Schleiff anschließend vor zu großen Erwartungen und fügte hinzu: „Wer meint, mit Städtepartnerschaften die Verträge zwischen der DDR und der BRD unterlaufen zu können, der irrt.“ Selbstverständlich werde bei den knapp zehn Begegnungen von Musikgruppen, Sportlerinnen und Funktionären, die für das Jahr 1988 vereinbart wurden, der Mindestumtausch verlangt. „Bremen ist für uns eine Stadt in einem anderen Land, genau wie Rostocks Partnerstädte in Dänemark, Finnland, Belgien und Frankreich.“ „Wir begründen eine Partnerschaft zwischen zwei deutschen Städten in den beiden deutschen Staaten“, auf diese diplomatische Formel war Wedemeier vor den 240 Mitgliedern der Rostocker Stadtverordnetenversammlung gekommen. Die Verträge über deutsch–deutsche Städtepartnerschaften übertreffen sich in den Versuchen, die Eigenstaatlichkeit der DDR einerseits und die Umgehung allzu deutlicher Aussagen in dieser Frage andererseits in einen einzigen Text zu fassen. Ein einziger Bandwurmsatz füllt die erste Seite des Vertrages zwischen Bremen und Rostock: „Getragen von dem Willen, aktiv zur Erhaltung und Festigung des Friedens, sowie dazu beizutragen, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg, sondern immer nur Frieden ausgeht...“, so beginnt er. Angesichts solch großer Ziele nehmen sich die von Wedemeier angeführten Gemeinsamkeiten der beiden Hansestädte klein aus: „Beide versuchen, das historisch gewachsene Stadtbild mit den aktuellen Anforderungen in Ein klang zu bringen“, beide sind Hafenstädte und somit weltoffen, es weht immer eine frische Brise und man spricht „platt“. Und außerdem war Wilhelm Pieck, nach dem die Rostocker Uni seit 1976 heißt, „Sekretär meiner Partei, der SPD, in Bremen“, fügte er unter lautem Applaus der Stadtverordneten an. „Die Beziehungen zu Bremen sind eigentlich recht dürftig“, hatte auch Rostocks Archivar, Horst Witt, recherchiert. „Zwischen Kiel und Rostock gibt es längere Kontakte, aber das muß ja alles ein wenig geordnet werden, die DDR–Küstenstädte haben sich abgesprochen“, erklärte Rostocks OB Schleiff, warum nun doch Bremen der Städtepartner in der BRD wurde. Eigentlich hatte Kiel immer die besten Kontakte nach Rostock. Die Segelregatten während der Kieler Woche und der „Ostsee– Woche“ der DDR ähnelten sich und schufen über die Jahre feste Verbindungen. Außerdem existiert eine enge Verbindung zwischen der Hamburger DKP und dem SED–Bezirk Rostock. In der kirchlichen Aufgabenteilung hat die Bayerische Evangelischen Landeskirche die Kontakte nach Rostock übernommen. Pastoren bekommenjährlich einige Devisen–Mark und auch die Unterstützung bei Kirchenrenovierungen wird über München abgewickelt. Zum Abschluß seiner Begründung der Städtepartnerschaft kam Rostocks OB Schleiff auf den Frieden zurück: „Lassen Sie uns gemeinsam dafür wirken, daß die Sonne immer von einem friedlichen Himmel auf unsere Städte und ihre Bewohner scheint, daß das Lachen unserer Kinder nie im Hagel von Bomben und Raketen erstickt, daß die Jugend voll Zuversicht einer friedlichen Zukunft entgegenschreiten kann, daß die Meere und unsere Häfen immer dem friedlichen Handeln und Zusammenleben der Völker dienen.“ Diesem Apell mochte sich auch der Bremer Wedemeier nicht verschließen: „Das Ringen um Frieden und Verständigung ist auch eine kommunale Angelegenheit.“ Zehn Partnerstädte hat Rostock bereits, vier davon in „sozialistischen Bruderländern“. Auch Bremens lettische Partnerstadt Riga ist darunter. „Mit unseren sowjetischen Freunden werden natürlich auch viele Fragen der Produktion erörtert“, informiert der Sekretär des Rates der Stadt, Schliebs. „Mit Bremen wird es dagegen mehr Kulturaustausch geben, „denn mit Bremens Hafen konkurrieren wir auf dem Weltmarkt, aber Kultur ist ja kein Betriebsgeheimnis“, begründet er. Eine Frau, die auf dem Markt in einer langen Schlange nach Melonen ansteht, glaubt nicht, daß sie etwas von der elften Rostocker Städte–Partnerschaft haben wird: „Ja, da wird dann mal was in der Zeitung stehen und die FDJ wird ein paar Aktivitäten machen, aber uns wird das nicht betreffen.“ Und wer in Bremen nach der Bedeutung der Städtepartnerschaft fragt, bekommt erstmal eine Frage zurück: „Rostock, liegt das eigentlich in Polen oder in der Sowjetunion?“