Arbeitsplätze beim Wiener vom Zeitgeist gesegnet

■ Zeitgeistmagazin Wiener in Bedrängnis / Sechs Mitarbeiter entlassen / Sekretärin und Art–Direktor kamen der Kündigung zuvor / Neues „Schrumpf“–Konzept: Mehr Impulse von außen

Aus München Luitgard Koch

Dem Zeitgeistmagazin Wiener scheint genau das zu passieren, was Chefredakteur Maier im ersten Heft vom Mai 86 als Teufel an die Wand malte: „auf der Zeitgeisterbahn zu verunfallen“. Tatsache ist, daß sechs Mitarbeitern des Blattes ohne Begründung die Kündigungen auf den Tisch flatterten. Für die Betroffenen kam die Entlassung „wie aus heiterem Himmel“. Einen Vertrag und somit Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nur einer der Betroffenen. Der Rest steht mit „null cash in der Tasche“ auf der Straße. Die Sekretärin Maiers sowie der Art–Direktor kamen ihrer Kündigung zuvor und verließen das Blatt, bevor Maier zum Rotstift greifen konnte. Der redaktionelle „Wasserkopf“ soll dadurch verkleinert werden, so der 31jährige Macher. Nach dieser Schrumpfkur bleiben außer den beiden Chefredakteursposten, einen davon hat Maier, und dem sogenannten „Chef vom Dienst“ noch ein Redakteur sowie eine Bildredakteurin übrig. Gleichzeitig versicherte Maier den entlassenen Journalisten jedoch, daß durch diese „Rationalisierungsmaßnahme“ nun mehr Geld für Geschichten zur Verfügung stehen würde und dies auch ihnen zu gute käme. „Was soll dann das ganze Theater“, fragen sich zu Recht die Geschaßten. „Gerade werden T– Shirts mit der Aufschrift Lokomotive Zeitgeist gedruckt, gleichzeitig werden der Lok die Räder abgeschraubt“, wundern sie sich. Aber für Maier steckt dahinter ein „neues Konzept“. Zurück zu den Anfängen und „Wieder mehr Impulse von außen“, heißt die Devise. Da bei der „ersten vierköpfige Redaktionscrew“ zum Jahreswechsel ein „Erschöpfungszustand“ eingetreten sei, habe man die Redaktion aufgestockt. Jetzt nach einem halben Jahr habe sich jedoch herausgestellt, daß dieser Schritt das Blatt nicht verbessert habe. Verzweifelt gesucht wird bei diesen hektischen Umstrukturierungen natürlich der Leser. Um seine Gunst zu gewinnen wurden seit Beginn dieses Jahres politische Themen kontinuierlich zurückgedrängt. Dies hat sich jedoch als Bumerang erwiesen. Gerade das Januarheft mit den „Wendegesprächen“ war ein Renner. Seit Beginn des Blattes ist ein stetiger Abwärtstrend der verkauften Auflage zu beobachten. Von rund 133.000 verkauften Heften im letzten Quartal 86 ist man jetzt bei runden 126.000 gelandet (Angaben nach IVW, Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern). Vielfach wird sogar gemunkelt, daß im Moment nur knapp 80.000 verkauft werden. Gedruckt wird fast doppelt soviel. Bei der Konkurrenz Tempo dagegen sind die Verkaufszahlen mit 146.000 Exemplaren gleich geblieben. Als weiteres Element des „neuen Konzepts“ preist Chefredakteur Maier die Übernahme von Artikeln aus der österreichischen Ausgabe des Wieners. Doch für Beobachter erhärtet sich damit der Verdacht, daß am Ende eine „deutsche Redaktion“ als Zulieferer für die Ausgabe der „Alpenrepublik“ übrigbleibt und die Kündigungen der erste Schritt zum „Tod auf Raten“ sind. Siehe Kommentar auf Seite 4