Matthiesen warnt SPD–Fundis

■ SPD–Minister: Ausstieg aus der Kernenergie in zehn Jahren nicht mehr möglich / Landesparteitag vor radikalen Beschlüssen zum THTR gewarnt / IGBE–Betriebsräte: Kernenergie gehört zum Grundkonsens

Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) - Der nordrheinwestfälische Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD) hat am Dienstag die Landespartei aufgefordert, „zur Kenntnis zu nehmen, daß mit dem geltenden Recht der Ausstieg aus der Kernenergie nicht in zehn Jahren zu verwirklichen ist“. Im Vorfeld des im Oktober stattfindenen Landesparteitages ermahnte Matthiesen die Partei, endlich zu begreifen, daß eine Landesregierung nicht gegen „geltendes Recht operieren“ könne. Wie berichtet, wird in einer Vielzahl von Parteitagsanträgen die NRW–Landesregierung auf gefordert, den Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm sofort stillzulegen. Mit Blick auf diese Forderungen sagte Matthiesen, die Partei „kann nicht so tun, als existiere das geltende Atomrecht nicht“. Das Ziel der Nürnberger Parteitagsbeschlüsse bleibe zwar richtig, „aber die Frist ist mit der Bundestagswahl erledigt“. Matthiesen verwahrte sich gegen Belehrungen aus der eigenen Partei. Dazu zählt der Minister die Genehmigungsblockade des Schnellen Brüters in Kalkar ebenso, wie die von der Landesregierung in Auftrag gegebene sicherheitstechnische Überprüfung aller Kernenergieanlagen. Matthiesen verband sein Plädoyer ge gen die SPD–Fundis mit dem Bekenntnis, daß die Landespartei sich „mit ihrem Wunsch und Willen, langfristig aus der Kernenergie auszusteigen“ in dem zu fassenden Beschluß wiederfinden muß. Das wiederum wollen SPD– Betriebsräte aus dem Bereich der Gewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) gerade verhindern. Sie möchten den Landesparteitag veranlassen, sich ohne Abstriche für das „Überbrückungskonzept“ der IGBE auszusprechen, in dem von einem weiteren Zuwachs der Kernenergie nach 1995 die Rede ist. Nach dem Betriebsratsvorsitzenden der Ruhrkohle AG hat jetzt auch der Betriebsrat der Bergbau AG–Lippe (40.000 Beschäftigte) von der SPD einen neuen Energie– Kurs verlangt. Die SPD–Betriebsräte warfen dem SPD–Unterbezirksvorsitzenden von Recklinghausen, Bernhard Kasperek, der gesagt hatte, eine Zukunft für die Kohle „gebe es nur ohne, nicht mit der Kernenergie“, vor, die SPD als „Bündnispartner der Bergleute und ihrer Gewerkschaft selbst ins Zwielicht“ gesetzt zu haben. Wer auf dem Ausstieg beharre, mache „von vornherein die dringend notwendige energiepolitische Übereinstimmung vor allem mit den Bundesländern und der Elektrizitätswirtschaft unmöglich“.